Kartenzimmer voller Noten
ASPEKTE / LA CHAMBRE DES CARTES
03/06/16 Uraufführungen sind dem Aspekte-Leiter Ludwig Nussbichler wichtig. „Nicht wegen irgendeinem Uraufführungs-Wahn“, sondern weil er den Komponistinnen und Komponisten der Gegenwart möglichst viele Produktionsmöglichkeiten erschließen will.
Von Heidemarie Klabacher
Ein trockener, lustlos hingeschrieben wirkender Titel. Ein anregendes, fast ein wenig verspieltes Stück, in dem rhythmisch bewegte und von sanftem Pochen untermalte klangflächige Passagen einander abwechseln: „Kammermusik IIa – extended Version“ von der Bayerischen Komponisten Julia Purginas stand als erste Uraufführung der Aspekte 2016 am Donnerstag (2.6.) im Republic auf dem Programm. Unruhige Läufe gewinnen an Verve, fangen an zu stolpern. Luftgeräusche. Taubengurren. Von gezupften Klaviersaiten produziert? Perlentränentropfchen sicher vom Klavier geweint: Ein charmantes, in logischen und nachvollziehbar strukturierten Schritten aufgebautes Werk.
Wohl alle Zuhörer im Republic ließen sich vom Ensemble XX. Jahrhundert exxj mit zustimmendem Genuss „The Heart’s Ear“ öffnen: So der Titel des geradezu klassisch-kammermusikalischen Werks für Flöte und Streichquartett von Liza Lim, einer der großen der Zunft. Ein sanft schwebendes und dennoch über das Motiv des Atems konsequent sich selbst und seine Zuhörerschaft bewegendes Stück.
Welch ein Gegensatz zu Christian Ofenbauers statisch wirkendem Opus „vergessenes zimmer/staubiger raum 2016“ das – und da wird der Titel die Assoziationen beeinflussen – bewusst klaustrophobisch auf der Stelle zu treten schien, trotz schier unzähliger Neu-Aufschwünge und Neu-Anläufe. Ein Effekt, den die Virtuosen vom Ensemble XX. Jahrhundert exxj unter der Leitung von Peter Burwik meisterhaft auskosteten.
Der Aspekte-Gründer und langjährige Leiter Klaus Ager war mit einer Miniatur vertreten: „Breccia IV“ aus 2007 ist die klingende Assoziation zu einem (dem Aspekte-Publikum vorenthaltenen) Gemälde des zeitgenössischen römischen Malers Pier Augusto Breccia.
Tristan Murail, der Composer in Residence, lud zu einer Phantasiereise durch „La Chambre des cartes“ - das „Kartenzimmer“, ein Ensemblestück aus 2011, ein Reiseführer quasi zu imaginäre Landschaften.