Baum des Lebens, Traum aus Musik
ASPEKTE / ERÖFFNUNG / MOZARTEUMORCHESTER / STADLER
02/06/16 Wann hört man schon große Orchesterwerke zeitgenössischer Komponisten? Zu ihrem „Vierziger“ haben die Aspekte Salzburg sich selbst und ihrem Publikum ein wahres Festgeschenk gemacht. Das Mozarteumorchester spielte Werke in „außergewöhnlich großer Besetzung“ von Klaus Ager, Henri Dutilleux und Tristan Murail, dem Composer in Residence.
Von Heidemarie Klabacher
Musik in großen Bögen. Hell-hörige Klanggebäude. Konzipiert mit Sinn für weiten Atem und freies Schreiten, errichtet aus kostbaren Materialien wie präzise formuliertem Streicher- und facettenreichem Bläserklang standen zum Auftakt des vierzigsten Aspekte Festivals auf dem Programm.
Irgendwie kaum zu glauben – aber das Mozarteumorchester spielte bei der Eröffnung der Jubiläums-Aspekte am Mittwoch (1.6.) erstmals im Republic. Mit „Neuer“ oder „Neuester“ Musik hört man das Orchester ja doch immer wieder, aber nur selten so konzentriert und ausschließlic. Unter der Leitung von Peter Tilling schenkte das Orchester jedenfalls alle seine Qualitäten, mit denen es die Musik von Barock bis zur Zweiten Wiener Schule zum Strahlen und Swingen bringt, drei klang-architektonischen Meisterwerken der Neuen Musik: dem Violinkonzert von Henri Dutilleux „L´Arbre des Songes“ mit Frank Stadler als Solisten, der „Sinfonie für Bläser und Schlagwerk“ op. 63 des Aspekte-Gründers Klaus Ager und den „Reflections/Reflets I+II von Tristan Murail, dem Composer in Residence.
Da und dort schimmern in „Reflections/Reflets“ Anspielungen auf Musik der Vergangenheit durch, sagte Tristan Murail dieser Tage bei einem Pressegespräch: „Reflexionen“ eben von Werken anderer Komponisten, aber auch von ihm selber. Nun ist aber gerade dieser Komponist selber viel zu „reflektiert“ und abstrakt von Gedanken, um mit simplen Zitaten zu arbeiten. Das einzige, was man ein zwei Mal zu hören – oder angesichts der Farbkraft von Murails Musik: zu sehen – meinte, waren ein paar Augenblicke Debussy. Sonst scheinen die Klänge eher wie Wellen auf dem Meer von der Sonne einmal im auf dem Wellenkamm oder im Wellental das Licht der Aufmerksamkeit zu „reflektieren“ – sei es in bewegteren Winden oder den unendlichen Facetten Ruhe, die Muralis Klänge aufschimmern lassen.
Klaus Agers „Sinfonie für Bläser und Schlagwerk“ op. 63 - eine echt salzburgische Komposition Werk - wurde 1992 vom Mozarteumorchester unter der Leitung von Hans Graf uraufgeführt. Das kontrastreiche – bei aller immer wieder aufbrechenden Energie in der Struktur dennoch fein ziselierte - Werk changiert zwischen Bläser-Harmoniemusik, Strawinsky’schem Vorwärtsdrängen und pulsierendem Schlagwerk. Dank für diese Wieder-Begegnung.
Höhepunkt des Abends war Henri Dutilleux’ Violinkonzert „L´Arbre des Songes“, ein zeitgenössisch-romantisches Solokonzert mit Schlagzeug, Zymbal, Klavier oder Celesta, das in einer Reihe mit allen großen Violinkonzerten von Beethoven über Berg auf einen Atemzug zu nennen ist. Frank Stadler war in dem – sich keineswegs als „Virtuosenkonzert“ sich gebärdenden - Werk dem machtvollen Orchester wie dessen einzelnen Instrumentengruppen uns Solisten vor allem ein Kammermusikpartner: So transparent wurde vom Kollektiv unter der Leitung von Peter Tilling das beinahe symphonische Werk musiziert. – Ein Geburtstagsgeschenk an die Aspekte, ein Geschenk an das Publikum.