Zwei Aufdecker machen sich ans Werk
KULTURVEREINIGUNG / MOZARTEUMORCHESTER / TREVOR PINNOCK
08/04/16 Wie unglaublich leise man einsteigen kann ins Mendelssohn-Violinkonzert! Das klappt freilich nur, wenn man ein trotzdem intensiv „singendes“ Soloinstrument bei der Hand hat und wenn sich das Orchester mit einem Maximum an Disziplin selbst in Zaum hält.
Von Reinhard Kriechbaum
Beides ist gegeben in den drei Kulturvereinigungskonzerten dieser Woche (6./7./8.4.) im Großen Festspielhaus. Isabelle Faust ist mit ihrer „Dornröschen-Geige“ - auf diesen hübschen Namen hört ihre Stradivari - in Salzburg. Das Mozarteumorchester, wiewohl von Trevor Pinnock musikantisch gefordert, ist als Kollektiv mit allen Ohren bei der Solistin.
Was Isabelle Faust derzeit auch angreift, wird unter ihren Fingern außergewöhnlich. Gerade im Mendelssohn-Konzert will das etwas heißen. Klingt's nicht im Grunde immer gleich schmeichlerisch? Nein. Das tut es definitiv nicht. Wie einen Seidenfaden spannt Isabelle Faust ihre Soli, aber dieser Faden ist dann doch an recht massive Pfosten geknüpft. Da lässt Trevor Pinnock das Orchester schon ordentlich zupacken, und – nach der Kadenz im ersten Satz vor allem – baut sich auf diese Weise eine Spannung auf, die man nach dem Pianissimo-Einsatz der Solistinn gar nicht erwartet hätte.
Im Mittelsatz trägt dieses Neudenken des „abgespielten“ Werks die allerschönsten Früchte. Die Erregung nach den Horn-Einwürfen ist eine innere, wie überhaupt Isabelle Faust gerne den Druck (und den Nachdruck sowieso) wegnimmt von den Ziel-Tönen, wo ihre Kollegenschaft meist gerne noch eins draufsetzt. Das müssen eben nicht zwingend Forte-Töne sein, es darf Nachdenklichkeit mitschwingen.
Und das draufgängerische Finale? Wie mit Silberstift zart überzeichnend stellt Isabelle Faust sich den Holzbläsern. In Wirklichkeit führen ja die Flöten das Hauptthema an. So kollegial kann man musizieren. Im Donnerstag-Konzert wäre da zwar von einem kolossalen Kurzzeit-Kuddelmuddel im Finalsatz zu erzählen, aber was tut das schon, wenn der „Spirit“ insgesamt so sehr passt. Fein, dass das Bläser-Corps beim Verbeugen gleich aufstehen durfte: Es hat den Beifall mindestens so verdient wie die Solistin, die sich dann noch mit Bach bedankte.
Die „große“ C-Dur-Symphonie von Schubert. Eine denkwürdige Stunde. Nehmen wir das „Andante von moto“, in dem man gleich vom Beginn weg viel mehr hörte als ein metronomisches „Ticken“ der Streicher zu den Bläsersoli. Die Begleitung ist stets geschärft, zugespitzt – wie eine beständige Antithese zum lyrischen Argument, das ja doch die Oberhand behält. Gerade diese latente Spannung macht die Interpretation so ergiebig. Trevor Pinnock schafft zugleich unendlich viel Freiraum für das Sanfte, Ruhevolle, das in diesem Satz auch zu seinem Recht kommen will.
So wie sich Isabelle Faust bei Mendelssohn quasi investigativ betätigt hat, ist auch trevor Pinnock ein rechter Schubert-Aufdecker. Bei allem Temperament ließ er sehr genau hineinblicken in die Feinmechanik der mittleren Stimmen, hat er die Bratschisten und zweiten Geiger sehr deutlich das Ihre herauszeichnen lassen. Das romantische Wesen greift Pinnock, indem er auf doch sehr bestimmte Tempoveränderungen setzt und vor allem immer wieder die Dynamik zurücknimmt. Was man da alles heraushören konnte...
Das Mozarteumorchester – in den letzten Jahren ein seltener Gast bei der Kulturvereinigung – hat sich in Geberlaune präsentiert, gespannt und aufmerksam bis zum letzten Pult. Man konnte greifen, wie sehr diese Interpretation den Musikerinnen und Musikern selbst Freude bereitet hat. Und dann gab's noch überraschenderweise eine Zugabe, Schuberts „Rosamenunde“-Ouvertüre mit wieder betörenden Holzbläser-Beiträgen.