Frühling aus Italien
KULTURVEREINIGUNG / ORCHESTRA SINFONICA DI MILANO 1
04/02/16 Der Wunsch eines Konzertveranstalters sollte nicht immer befolgt werden: Das den Mailänder Sinfonikern gestellte Ansinnen, alle Sinfonien Robert Schumanns zu spielen, zeigte beim ersten Konzert innerhalb ihres Salzburg-Debüts uneinheitliche Sichtweisen.
Von Horst Reischenböck
Noch Joseph Haydn war der Ansicht, Italiener wären nicht imstande, seine Sinfonien zu spielen. Das hat sich inzwischen längst geändert, auch wenn gegenüber Opernhäusern der Anteil reiner Konzertorchester innerhalb Italiens überschaubar blieb. So betreibt das seit 23 Jahren bestehende Orchestra Sinfonica di Milano „Giuseppe Verdi“ interessante Projekte: Etwa die erste, international hoch gelobte italienische Gesamtaufnahme der Sinfonien Dmitri Schostakowitschs. Geleitet von Oleg Caetani, Schüler von Kirill Kondraschin und 1982 Gewinner des Herbert von Karajan-Wettbewerbs in Berlin, unter dem das Orchester dieser Tage im Großen Festspielhaus gastiert.
Das Orchestra Sinfonica di Milano wurde vom russischen Anton Bruckner-Spezialisten Vladimir Delman gegründet. Es ist nicht identisch mit den Musikern von La Scala.
Die Kenntnis über reine Orchestermusik unseres südlichen Nachbars beschränkt sich mehrheitlich auf den Namen Ottorino Respighi. Vornehmlich durch seine tönenden Impressionen Feste, Fonane und Pini di Roma. Mit seinen seltener zu hörenden Suiten „Antiche Arie e Danze per Liuto“ rief er sonst längst vergessene Schätze der Vergangenheit, teilweise anonymen Ursprungs, ins Gedächtnis zurück. Die Nr. 3 darunter erfreut sich bei Kammerorchestern spezieller Beliebtheit, ist aber auch ideal für 41 Streicher in Großbesetzung, ihr Können zu zeigen. Die Probe aufs Exempel wurde Mittwochabend (3. 2.) im Großen Festspielhaus geliefert. Da verströmte die eröffnende Italiana duftig warme Klänge, von Besardos „Arie di Corte“ vor allem in den tiefen Registern beeindruckend satt gefolgt. Wiederum kontrastiert durch die Siciliana, um sich träumerisch in deren Wiegen zu verlieren, und, im Anschluss daran, mit vehementem Einsatz in der Passacaglia von Roncalli bekrönt.
Mit seinem Blickwinkel auf den vor 160 Jahren gestorbenen Robert Schumann provozierte Oleg Caetani danach allerdings vorerst zwiespältige Gefühle. Die „Frühlingssymphonie“, nach einem sozusagen probeweise ersten g-Moll-Einzelsatz Schumanns vollwertige Erste Sinfonie in B-Dur, op. 38, wollte diesmal nicht so recht überzeugen. In den heutzutage auf Anregung von Felix Mendelssohn üblicherweise eine Terz höher als ursprünglich geplant gespielten Fanfaren zu Beginn (Gustav Mahler führte sie in seiner Bearbeitung wieder auf den Ursprung zurück) wirkten die Trompeten noch ziemlich verhalten und wenig majestätisch. Das Hornquartett musste sich offenkundig erst noch akustisch anfreunden mit dem Raum und hielt sich, meist gedämpft, eher im Hintergrund. Was aber irritierte, war der fast schon übertriebene „Drive“, mit dem Caetani trocken und forsch durch die Sätze eilen hieß. So, als sei ihm jede Art Gefühlsromantik suspekt, misstraute er der eigentlich berückend schön dolce auszukostenden Streicher-Kantilene vor dem letzten Aufschwung im Kopfsatz. Zügig ging es auch durch die Schmerz getrübt melodischen Kostbarkeiten des anschließenden Larghettos hindurch: ein alles in allem eher italienischer denn deutscher Frühling.
Diesen Eindruck verkehrte nach der Pause die „Rheinische“ Es-Dur-Sinfonie op. 97 willkommen schwelgerisch ins Positive. Da gab es Jubel, und mit der Zugabe von Gioacchino Rossinis Ouvertüre zum „Barbier von Seviglia“ war dann ohnedies alles im perfekten Lot.