Kunstvoll drapierte Gregorianik
KULTURVEREINIGUNG / ORCHESTRA SINFONICA DI MILANO 2, 3
08/02/16 Am dritten Abend des Orchestra Sinfonica di Milano unter Oleg Caetani bei der Kulturvereinigung am Freitag (5.2.) ging sozusagen die Gesamtaufführung von Schumanns Symphonien erfolgreich in die Zielgerade – und ein großes Violinkonzert war zu entdecken.
Von Paul Kornbeck
Nein, nicht jenes von Schumann. Sondern das „Concerto Gregoriano“ von Ottorino Respighi aus den frühen zwanziger Jahren. Respighis Nachruhm stehen leider die fatal genialen „Pini di Roma“ ein wenig im Weg. Der italienische Impressionist passt nämlich nicht in die Schublade eines Effektkomponisten. Im Gegenteil, ein Großteil seiner Instrumentalwerke bezieht sich auf Italiens Alte Musik und ist eher introvertierten Charakters. Natürlich ist der Blick zurück bei Respighi ein spätromantisch gefärbter. Doch dies lässt man sich gerne gefallen, wenn dabei ein so altgolden schillerndes, kunstvoll drapiertes Konzert herauskommt.
Auch im „Concerto Gregoriano“ breitet Respighi seinen spezifischen Klangzauber aus, aber nur selten verdichtet sich dieses luzide Gespinst zu großer orchestraler Gebärde. Meist dominiert verinnerlichtes Singen, aus dem die uralten Melodien der Gregorianik leuchten. Luca Santaniello, eine eher bullige Erscheinung, verzauberte mit hoch sensiblem Spiel und feinsten Klangfarben.
Man würde dem italienischen Geiger mit Respighis zweitem großen Violinkonzert „in stile antico“, aber auch mit Mozart gerne wieder begegnen. Eine andere Variante italienischer Musik, den edlen Kitsch, bediente er balsamisch mit der ersten Zugabe, einem süffigen Arrangement von Mascagnis „Cavalleria“-Intermezzo. Auch hier war das Orchester ganz in seinem Element. Santaniello ließ noch solistisch ein brillantes „Akazistückerl“ folgen.
Oleg Caetani liebt die hellen Orchesterfarben, die er für die frühe deutsche Romantik bevorzugt. Recht hat er, denn so lässt sich Robert Schumanns doch etwas massive Instrumentierung transparenter gestalten. Dies hatte schon am Donnerstag zu einer stimmigen Aufführung der 3. Symphonie geführt; übrigens mit dem eleganten Maxim Rysanov und seiner gelungenen Adaption von Tschaikowskis Rokoko-Variationen für Viola vor der Pause. „Ouvertüre, Scherzo und Finale“ zu Beginn wirkten am Freitag etwas bemüht, was auch an der tastend suchenden, nicht wirklich überzeugenden Komposition liegt. Sehr schön gelang das duftige, aber insistierend in sich kreisende Scherzo.
Nach der Pause folgte Schumanns symphonisches Meisterstück, die „Vierte“. Caetani bevorzugt hurtige Tempi, malt dabei jedoch viele Nuancen aufs Schönste aus und gab dieser pausenlosen Symphonie-Phantasie mitreißende Zugkraft, mit der Romanze samt innigem Oboensolo als emotionalem Zentrum. Eine rundum überzeugende Interpretation, vom Orchester mit spürbarer Begeisterung mitgetragen. Caetani, der Sohn des ukrainischen Dirigenten Igor Markhevitch und einer italienischen Mutter, wählte zwei Zugaben, die das Orchester als brillantes Ensemble zeigten – Anatoli Ljadows köstliche „Tabaksdose“ und, wie könnte es anders sein, Rossinis „Barbier von Sevilla“-Ouvertüre. Nach so viel Brio war des Jubels kein Ende.