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Die russische Seele ist ein weites Land

SOLITÄR / KLANGREISEN

15/10/15 Erdöl verbindet: Auf dem Plakat prangen GAZPROM und OMV als Sponsoren einer Tournee „Russische Klassische Musik in Österreich“. Vom derzeitigen Gastspiel des Rachmaninow Trio profitierte auch die vierte Folge der „KlangReisen“ im Solitär zum saisonalen Einstand.

Von Horst Reischenböck

Klaviertrios werden auch im weiteren Verlauf der Veranstaltungsreihe noch auf dem Programm stehen. Russischerseits kommt dieser Gattung ein elegisch, düsterer Ausnahmerang zu. Ausgehend von „Urvater“ Mikhail Glinkas Trio Pathétique (das das Ensemble morgen, Freitag, in der Basilika St. Andrä in Kärnten spielen wird) über Pjotr Iljitsch Tschaikowski zu Serge Rachmaninows Zweitem Trio Èlègiaque im Gedenken an Tschaikowskis Tod (das haben sie jüngst zweimal in Linz hören lassen), bis zu Dmitri Schostakowitsch und dem bei uns kaum bekannt gewordenen Georgi Swiridow.

Als Mäzenatin Nadezhda von Meck Tschaikowski um ein Klaviertrio bat, erwiderte er: „Mein akustisches Empfinden ist so bestellt, dass ich einfach die Kombination des Pianofortes mit einer Geige und einem Cello nicht ertragen kann. Für mich passen die Timbres dieser Instrumente nicht zusammen.“ Ein halbes Jahr später, nach dem Ableben seines Förderers Nikolai Rubinstein, revidierte er diese Einstellung und schuf mit dem a-Moll-Trio op. 50 ein kolossales, in sich disparates Diptychon. Eduard Hanslick befand trotz „geistreicher Züge und glücklicher Wendungen“: „Es gehört zu der Klasse der Selbstmörder unter den Kompositionen, … welche durch unbarmherzige Länge sich selbst umbringen.“

Dem Selbstmord wirkte Mittwoch (14.10.) das Rachmaninow Trio beherzt entgegen, wobei der einkomponierte Hauptakzent eindeutig bei Viktor Jampolski am Flügel lag. Schon vom Einstieg in den letztendlich resignierend ausgedehnten Kopfsatz, aus dem sich Cellistin Natalia Sawinowas Kantilene emporschwang, um sich danach mit Michail Zinman an der Violine zu vereinen. Zinman war 1991 Gewinner des Mozartwettbewerbs in Salzburg. Saftig, mit großem Aplomb (Tschaikowski befürchtete nicht zu Unrecht, es handle sich um „symphonische Musik“) ging es auch in die nachfolgende Variationenkette hinein. Ihr setzte Jampolski sowohl akkordschwer das zugrunde liegende Thema auf wie auch glitzernde Akkorde. Er dominierte in der Fuge und in der wohl an Rubinsteins Chopin-Spiel gemahnenden Mazurka, um sich dann dem unerbittlichen Trauermarschrhythmus verdämmernd zu ergeben.

Nach dieser großen Attitüde verinnerlichten die Drei nach der Pause ihren Diskurs übereinstimmend in die Gedanken von Franz Schuberts nachgelassenem Einzelsatz in Es-Dur D 897 hinein. Die schlummernden Abgründe der Seele bahnen sich in den Ausbrüchen mittendrin unverhohlen einen Weg.

Seelentort auch in Schostakowitschs halbstündigem Klaviertrio Nr. 2 e-Moll op. 67 durch Erschütterung ausgelöst ob des Todes seines „engsten Freundes Iwan Sollertinski … Es fehlt mir an Worten, um meine Verzweiflung auszudrücken. Behalten wir ihn in Erinnerung … an seine völlige Aufopferung für … die Musik.“ Vier Sätze, deren erster quasi mit vertauschten Rollen anhebt– Cellistin Sawinowa in höchsten Flageolett-Tönen assistiert von Zinmans Violine verhalten darunter. Es folgen ein zynischen Tanz und eine berührende Klage, die sich aus Jampolskis harsch hämmernden Klavierakkorden entwickelte. Auf das aufbegehrend, gleichwohl freudlos fahle Finale folgte begeisterte Zustimmung: Schließlich haben die Künstler aus Russland viel Herzblut mitverpackt.

„Heiße Herzen“ ist Motto des nächsten Termins im Zyklus „KlangReisen“der Universität. Es singt Thomas Bauer (Bariton), begleitet von Siegfried Mauser (Klavier). Jörg Widmann übernimmt die Moderation.
Die Termine der acht Abende umfassenden Reihe: www.moz.ac.at
Bild: Universität Mozarteum

 

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