asdf
 

Im Geiste von Brahms

STIFUNG MOZARTUM / KAMMERMUSIK ZYKLUS

16/10/15 „Lockenhaus on Tour“ machte wieder einmal Station im Großen Saal des Mozarteums. Nicolas Altstaedt, seit 2012 Nachfolger Gidon Kremers als Leiter des einzigartigen Festivals im Burgenland, musizierte am Donnerstag (15.10.) in einem Starensemble. Schön, dass der Saal mit Kammermusik wieder zu füllen ist.

Von Gottfried Franz Kasparek

Antonín Dvořáks f-Moll-Klaviertrio ist ein schwieriges Stück. Es spiegelt die Identitätssuche des Komponisten zwischen Brahms-Verehrung und tschechischem Patriotismus. Vor allem aber verlangt es eine komplizierte Mischung aus auftrumpfender Tanzlaune und meditativer Inbrunst, aus melodischer Unbekümmertheit und harmonischer Feinarbeit, die nicht leicht zu finden ist.

Alexander Lonquich am Flügel gab kraftvolle Wegmarken vor. Anfangs schien die Balance zwischen dem energischen Klavierspiel, der sensiblen Cellokultur Altstaedts und einer etwas unentschlossen zwischen feinster Lyrik und spröder Klangfarbe pendelnden Vilde Frang ein Problem zu werden, doch spätestens im zweiten Satz mit seiner melancholisch unterfutterten Grazie fanden die Drei zu klanglicher Ausgewogenheit. Im Adagio entstanden wahrhaft Schubert’sche himmlische Längen, oft von großer Schönheit, mitunter an der Grenze zum allzu leise Verinnerlichten. Stimmig gelang der Finalsatz mit seinen Kontrasten, herrlich das verklärte Ende.

Brahms, dessen Geist gleichsam über diesem Konzert schwebte, liebte bekanntlich ungarische Musik. In bester alter Lockenhaus-Tradition folgte ein Stück eines Unterschätzten, eines wieder zu Entdeckenden. Es ist ja traurig, wie viel wundersame Musik aus den letzten zwei Jahrhunderten bloß ein Schattendasein in verdienstvollen CD-Reihen führt, weil sich ein Teufelskreis aus Veranstaltern, Interpreten und Publikum gebildet hat, innerhalb dessen immer wieder dieselben Werke gespielt werden. Zweifellos Meisterwerke, aber den Blick auf die Vielfalt der Musik sträflich einengend.

Dass man dieser Melange aus Bequemlichkeit und Quotendenken entgegen wirken kann, bewiesen zum Beispiel diesmal die herzhaft agierende Geigerin Vilde Frang, der famose Bratscher James Boyd und der hier zu seiner Höchstform auflaufende Cellist mit dem „Trio per archi“ von Sándor Veress. Ein Stück aus dem Jahr 1954, Musik im Schatten zwischen Bartók und Ligeti, eine pfiffige Verbindung von frei angewandter Dodekaphonie und transsylvanischer Folkloristik. Diesen explosiven Ketten von archaischen Pizzicati und sehnsuchtvollen Heimwehweisen kann man nicht widerstehen. Überhaupt empfiehlt sich das Oeuvre des Exilungarn und bedeutenden Kompositionslehrers wie auch das eines Bohuslav Martinů oder Anders Eliasson für mancherlei lohnende Entdeckungsreisen. Sie führen in eine klassische Moderne, die bei aller Innovation an tonalen Zentren festhält und wie diesmal zu einem formidablen Erfolg führen kann.

Nach der Pause stand mit dem Klavierquartett des 20jährigen Richard Strauss ein Stück am Programm, welches in seiner jugendlich unbekümmerten Brahms-Nachfolge, seiner handwerklichen Meisterschaft und seinem schon unverwechselbaren Melos als Solitär gelten darf. Da konnten Vilde Frang, James Boyd und Nicolas Altstaedt mit leidenschaftlichem Ausdruck auftrumpfen, da stimmten die Spannungsbögen und da sorgte der grandiose Kammermusiker Alexander Lonquich in bester Partnerschaft für mitreißende Akzente und virtuose Passagen. Das Vivace-Finale wuerde zum brillanten Parforceritt, der im Ziel des Publikumsjubels landete.

Dramaturgisch sehr schlüssig gab es als Zugabe des langen, aber keinen Takt lang langweiligen Abends den mächtig aufrauschenden 3. Satz des g-Moll-Quartetts von Johannes Brahms.

Bilder: www.vildefrang.com / Lillian Birnbaum (1); www.nicolasaltstaedt.com / Marco Borggreve (1)

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014