Tanzekstase auf der Geige
CAMERATA SALZBURG / LANGRÉE / KOPATSCHINSKAJA
12/10/15 Teufelsgeigerin wird sie manchmal genannt - feuriger Geigenengel ginge auch oder Bogenakrobatin oder Saitenzauberin... Beim Saisonauftakt der Camerata Salzburg unter dem Chedirigenten Louis Langrée lieferten Sergej Prokofjew und Maurice Ravel den Tanzboden für Patricia Kopatschinskaja.
Von Elisabeth Aumiller
Der Attribute gäbe es mehr, um ihre instrumentalen Fertigkeiten zu charakterisieren. Vor allem aber ist sie eine exzellente, eine besessene Musikerin, die ihre Interpretationen mit improvisatorischer Fantasie anreichert, eine Virtuosin, die nicht vorgegebene Erwartungen erfüllt, sondern sich selbst stets neu zu erfinden scheint und musikalisch zu verblüffen weiß.
Sergej Prokofjews Violinkonzert Nr. 2 g-Moll op. 63 fordert sie dazu prachtvoll heraus. Zunächst solistisch geheimnisvoll und filigran beginnend, dann orchestral gut gebettet, glänzt sie mit breiter Palette. Wilde Tanzrhythmen, melancholische Einschübe mit melodischen Linien. Technische Finessen. Dazu die markanten „Reisefarben“ von Prokofjews verschiedenen Stationen, auf denen er das Werk komponierte: Paris, Woronesch und Baku hinterließen Spuren. Dazu eine Verbeugung vor dem Uraufführungsort Madrid, wenn sich eine Passage mit Kastagnetten unter die reichen Bläserfarben mischt. Louis Langrée hat die Orchesterzügel kontrolliert im Griff, geht aber ebenso auf die Solistin ein und hat dabei spannende Energien miteinander in Einklang zu bringen.
Ravels „Tzigane“ bringt eine große Portion Zigeunertemperament ins Spiel. Kopatschinskaja kann hier an Bravour mächtig zulegen, zumal ihr die Hälfte des Stücks alle solistischen Freiräume gewährt. Da ist alles drin an kniffliger Bogen- und Grifftechnik, was nur geigerisch möglich ist: heikle Mehrfachgriffe, springende Bogenattacken, Pizzicati, Arpeggien, raffinierte Flageoletts und dazu Temposteigerungen in vehementer Rasanz.
Die Virtuosin scheint voll in ihrem Element zu sein. Ravel schuf „Tzigane ursprünglich für Violine und Luthéal, ein lautenähnliches Instrument, das bald außer Gebrauch kam, das Klavier nimmt dann meist dessen Stelle ein oder, wie hier, die später vom Komponisten geschaffene Orchesterfassung. Großer Jubel im Auditorium für die brillante und spannende Wiedergabe der an Klangeffekten vielgestaltigen und mitreißenden Violin-Rhapsodie.
„Rahmenprogramm“ für die Geigerin waren zu Beginn Mozarts Symphonie C-Dur KV 338 und zum Schluss Prokofjews Symphonie Nr.1 D-Dur op. 25 „Symphonie classique“.
Langrée heizt die Camerata gerne zu dynamischer Power auf, bringt dazu aber auch eine schillernde Mischung an durchsichtigem Feinklang, Spannungszäsuren und reizvoll herausgefilterten Details ins Klangbouquet.
Mozarts KV 338 ist seine letzte in Salzbug komponierte Symphonie. Das strahlende C-Dur verleiht ihr unbeschwerte Flügel und in ihrer zündenden Rhythmik spricht sie den Zuhörer unmittelbar an. Marschelemente klingen an, ebenso punktierte, skandierte oder synkopische Gangart. Langrée legt Wert darauf, die Akzente stark zu betonen und gegeneinander abzusetzen. Das von Mozart gestrichene Menuettfragment von wenigen Takten wird hier zu Gehör gebracht, bricht dann unvermittelt ab und Langrée dreht sich zum Publikum und sagt, es werde wohl immer ein Rätsel bleiben, warum Mozart das Menuett nicht fertig gestellt hat. Das tänzerische Finale voller Lebendigkeit steigert sich zu einem instrumentalen Wettlauf rauschender Geschwindigkeit.
Rhythmische Vielfalt weist auch die Symphonie von Prokofjew auf, in die klassische Elemente eingebunden sind. Sie gilt als ein Oevre, dass die turbulenten politischen und gesellschaftlichen Ereignisse der Entstehungszeit kontrastieren wollte. Die Camerata bringt das Werk mit gut ausgefeilter Detailarbeit und dynamisch wie rhythmischer Elastizität zur stimmigen Wirkung, die zu großem Applaus einlädt.