Salut für eine Komponistin
SOLITÄR / SALZBURGER HOFMUSIK
05/03/15 Mozart war ein Stammgast ihrer Musiksalons und spielte mit ihr wahrscheinlich vierhändig. Marianna Martines, zu Lebzeiten hoch geehrte Wiener Komponistin mit spanischen Wurzeln, ist in den Schatten der Musikgeschichte geraten, aus dem man sie wieder herausholen sollte. Ein Abend im Solitär bewies es.
Von Gottfried Franz Kasparek
Als geadelte Tochter eines wohlhabenden Zeremonienmeisters des päpstlichen Nuntius hatte es eine Frau natürlich leichter, Musik ohne finanziellen Druck zu pflegen. Joseph Haydn war einer ihrer Lehrer. Sogar in der Akademie von Bologna wurden ihre Werke geschätzt. Dort haben Wolfgang Brunner und sein Team auch die Partitur der auf dem 42. Psalm beruhenden Kantate „Come le Limpide“ (So wie das Reh) gefunden. Der Tipp kam von Heidelore Schauer, Virtuosin des Hackbretts in der alten Form als Salterio. Denn die Komponistin hat für ihren Librettisten, der offenbar auch Salterio spielte, zwei Soli geschrieben. Gertraud Steinkogler-Wurzinger war mit ihrem wichtigen und rührigen Gender-Referat an der Uni Mozarteum da gleich dabei, versucht sie doch seit Jahren, Marianna Martines ins Licht zu rücken. Forschungsförderung, Salzburger Hofmusik und Institut für Alte Musik veranstalteten mit.
Ist die Musik der Martines Alte Musik? Der Abend bot ein ambivalentes Bild. Zunächst erklang eine undatierte „Sturm und Drang“-Ouvertüre, irgendwo zwischen jungem Haydn und Gluck zu verorten, trotz Cembalo eindeutig frühe Klassik, mit einem gesanglichen, melodisch inspirierten Mittelteil und pointierten, rasanten Ecksätzen. Dann folgten drei Arien aus dem Jahr 1767, da war die Komponistin 23 Jahre alt und offenbar noch zutiefst barocker Formenwelt und virtuos gurgelnder Kastratenkunst verpflichtet. Mezzosopranistin Eva Maria Schoßleitner, Tenor Virgil Hartinger und die dramatisch zupackende Sopranistin Aleksandra Zamojska machten im Verein mit Brunners Hofmusik das Beste aus dieser doch sehr eklektischen Musik.
Im langen Finale aber, bei der von Sehnsucht nach Gott und Frieden kündenden Kantate, die man unter dem Luther-Titel „Wie der Hirsch schreit“ in Mendelssohns deutscher Vertonung kennt, wurde die Eigenart der Marianna Martines klar. Denn hier, in einer ausgeschmückten italienischen Textvariante, geht es nicht um oberflächliche Brillanz, sondern um schlichte Gläubigkeit, die harmonisch kunstvoll und auf der Höhe der Zeit, klassisch im Tonfall, mit beseeltem Ausdruck und ernster Schönheit zum Klingen kommt. Der kleine exquisite Chor, aus dem immer wieder die Solostimmen heraustraten, besonders die schwer unterschätzte Aleksandra Zamojska mit ihrer emphatischen Gestaltungskunst und Virgil Hartinger mit feiner Tenorlyrik, die relativ groß besetzte, absolut stilsichere Hofmusik mit Wolfgang Brunner als kundigem und inspirierendem Leiter an der Orgel brachten das eindrucksvolle Werk zu nachhallender Wirkung. Auf eine CD ist zu hoffen!
In der Mozart- und Haydn-Zeit gäbe es noch viel zu entdecken, übrigens auch unter Männern. Wann hört man hierzulande schon Stücke von Jan Baptist Vanhal, Thomas Linley oder Joseph Martin Kraus? Dazu Musik der Martines, der Maria Theresia von Paradis, der Margarethe Danzi – da ließen sich schöne „gegenderte“ Programme genug machen!