Romantik mit Schwung und Temperament
STIFTUNG MOZARTEUM / KAMMERKONZERT MURRAY / AVENHAUS
04/03/15 Die junge amerikanische Geigerin Tai Murray gastierte erstmals in Salzburg. Mit romantischer Emphase, natürlicher Ausstrahlung und technischem Können eroberte sie das Publikum am Dienstag (2.3.) im Wiener Saal.
Von Gottfried Franz Kasparek
Tai Murray ist Afro-Amerikanerin, was man wohl auch in Zeiten der „Political correctness“ feststellen darf. Woran es liegen mag, dass farbige Menschen aus den USA vor allem auf Opernbühnen landen, wenn sie sich für eine Karriere in der so genannten Klassik entscheiden? Die US-Orchester sind nach wie vor weiß dominiert und Solistinnen und Solisten dunkler Hautfarbe rar, es sei denn, es handelt sich bei ihrem Instrument um die Trompete.
Tai Murray hat sich für die Violine entschieden und macht alle Klischees vergessen. Sie ist offenbar in einer Schule des Geigenspiels aufgewachsen, die von Jascha Heifetz kommt und keinerlei Berührungsängste mit großen Tönen und herzhaftem Vibrato kennt. Wobei sie ihre Töne auch exzessiv schärfen kann und das Vibrato klug einsetzt, nämlich gezielt in Momenten des gefühlvollen Schwärmens wie gleich zu Beginn im Mittelsatz der frühen F-Dur-Sonate von Felix Mendelssohn Bartholdy. Mit viel Temperament und auch optisch tänzerisch gestaltete sie dagegen die furiosen Ecksätze dieses Geniestreichs eines Elfjährigen.
Silke Avenhaus war den ganzen Konzertabend lang eine wissende, einfühlsame und klare Akzente setzende Partnerin am Steinway. Das war, besonders in Franz Schuberts h-Moll-Rondo, keine Begleitung am Flügel, sondern echtes Doppelspiel. Wie beide Musikerinnen in Schuberts eigentlich verstörendem Rondo die insistierende Gewalt des Beginns, das trotzige Aufbäumen und lapidare Nachsinnen dieser Musik zum Klingen brachten, hatte großes Format.
Die Geigerin scheute nicht davor zurück, Dramatik auch einmal ohne Rücksicht auf kleinere technische Verluste effektvoll darzustellen. Die Pianistin schaffte es, mitunter gerade noch die Balance zwischen beiden Instrumenten zu halten. Eine emotional stimmige Interpretation, kein geschmäcklerischer Schönklang, kein trockenes Historisieren – wie erfrischend!
Beide Künstlerinnen bewiesen aber auch, wie empfindungsvoll und doch keinen Takt lang sentimental Robert Schumanns Romanzen op. 94 ablaufen können – und ebenso eine kleine Blütenlese aus Mendelssohns „Liedern ohne Worte“ im griffigen Arrangement eines Schülers des Komponisten und späteren Bratschers im Gewandhausorchester Leipzig, Friedrich Hermann. Ein schönes Beispiel für die Selbstverständlichkeit, mit der anno dazumal jegliche neue und beliebte Musik für alle erdenklichen Hausmusik- und Konzertsaal-Gelegenheiten arrangiert wurde.
Das Finale nach der Pause galt Schumanns exzeptioneller Violinsonate op. 121, deren kunstvolle Polyphonie und harmonische Strenge sich so wundersam mit tiefsten Gefühlen, mit romantischem Ausdruck verbindet. Tai Murray und Silke Avenhaus brachten dies mit Hingabe und Leidenschaft zu Gehör. Als Zugabe dann noch Maurice Ravels „Pièce en forme de Habanéra“. Diese südlich leuchtende Petitesse machte Lust auf ein ganzes Zugabenkonzert mit den beiden Musikerinnen.