Klingende Gärten neuer Musik
OENM / GANZ PRIVAT
16/02/15 Fasching ist‘s, Semesterferien, schönes Wetter noch dazu – das oenm programmiert ausgerechnet dieses Wochenende einen „Garten von Freuden und Traurigkeiten“. Wie schön, dass die Konzerte „oenm- ganz privat“ in einem intimen Rahmen stattfinden. Da waren beim ersten Durchgang am Freitag (13.2.) am Abend neun Leute genug, um ein stimmungsvolles Konzert zu garantieren.
Von Gottfried Franz Kasparek
Die Konzerte im oenm-Atelier im Künstlerhaus müsste man erfinden, gäbe es sie nicht. Da kann man nicht nur, aber vor allem neue Musik in konzentrierter Werkstatt-Atmosphäre erleben. Gleichzeitig hat die Sache etwas mit den alten Salons gemeinsam, wenn sich Freunde und Bekannte zum gemeinsamen Musizieren und Hören treffen und nachher bei einem Gläschen Wein darüber und über Gott und die Welt plaudern. Das stört es nicht einmal wesentlich, wenn wie diesmal draußen vor der Tür gerade eine Vernissage mit entsprechendem Geräuschpegel abläuft, denn die Türen schließen gottlob recht gut. Und eigentlich ist es schön, wenn man nach dem Musikgenuss auch noch kurz oder lang Bildende Kunst erleben kann.
Auf dem Programm standen gleich zwei „Gärten von Freuden und Traurigkeiten“ nach einem poetischen Text aus dem Tagebuch von Francisco Tanzer. Der erste Garten entpuppte sich als einer voller Disteln und Dickichte, der er stammte von Emmanuel Nunes. Der 71jährug 2012 verstorbene portugiesische Avantgardist stand wohl zu Unrecht im Schatten von Stockhausen, Nono und Co. und litt an spastischen Lähmungen, was die Biographien meist verschweigen. Dabei trägt das Wissen um diese offenbar mit bewundernswerter Würde getragene Krankheit zum Verständnis seiner oft wie abgehackt wirkenden, mit Klangpartikeln um sich schleudernden, sich mitunter aber auch zu einprägsamen melodischen Floskeln verdichtenden Musik bei, die sich zweifellos bei ersten Begegnungen nur mühsam erschließt und heute ein wenig wie die Moderne von gestern klingt. Die Flötistin Vera Klug und der Bratscher Jutas Javorka machten freilich auch diese Mühen überaus hörenswert, mit merkbar nicht nur virtuosem, sondern auch emotionalem Volleinsatz.
Wohin die Reise der neuen Musik gehen sollte, nämlich zu neuen, phantasievollen und kreativen Anverwandlungen von letztlich gültig gebliebenen Parametern wie schlicht und einfach Melodik, Rhythmik und tonalen Zentren, machte zunächst Johannes Maria Stauds brillant formulierte „Sydenham Music“ deutlich, mit welcher der Komponist die rare Literatur für Flöte, Viola und Harfe maßgeblich bereichert hat. Nach Debussy und dem hierzulande unverständlicherweise ignorierten Engländer Arnold Bax tat dies 1980 auch schon die große Sofia Gubaidulina, deren zutiefst berührende Tondichtung für diese drei Instrumente, „Garten von Freuden und Traurigkeiten“, mit ihren im Sinne Schuberts, aber aufregend neu klingenden „unendlichen“ Melodien und ihrem Farbenreichtum Abschluss und Höhepunkt des Konzerts bildete. Zur hier auch innig den Text rezitierenden Flötistin, zum tonschön spielenden Bratscher gesellte sich wie schon bei Staud Katharina Teufel-Lieli mit ihrer Zauberharfe, der sie die schönsten ebenso wie die erschreckendsten Töne in größter Meisterschaft entlocken kann. Dies hatte sie schon zu Beginn mit Klaus Agers Grenzbereiche aushorchendem, auf teils präpariertem Instrument zu spielendem Stück „Silences VI“ und zwischendurch mit kostbar-köstlichen Miniaturen des ungarischen Zeitgenossen Attila Reményi bewiesen. „Morgen spielen wir ein anderes Spiel“, so das Ende von Tanzers Text.
Man freut sich auf viele weitere „ganz private“ oenm-Spiele.