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Anklagende Stille

UNIVERSITÄT MOZARTEUM / THE REST IS SILENCE

09/12/14 Man hört ein kurzes Pochen, sieht Bilder der Zerstörung und dann Stille. Fünfzig Minuten lang zweifeln, leiden und singen Gesangsstudenten der Universität Mozarteum – ohne jeglichen Ton. Eine stumme Oper singen: Was eigentlich der Logik nach nicht möglich ist, haben diese Studenten mit Bravour vollbracht.

Von Sandra Sattlecker

Im Rahmen der Gender Studies Reihe „1814 – Der Kongress tanzt“ ist die Kammeroper „The Rest is Silence“ von Agustín Castilla-Ávila im hauseigenen Theater im KunstQuartier am Montag (8.12.) aufgeführt worden.
Der Inhalt ist schnell erklärt: Die vier Elemente Feuer (Jakob Puchmayr), Wasser (Maria Hegele), Luft (Sascha Zarrabi Magd) und Erde (Teresa Schnellberger) sind aus unerfindlichen Gründen krank. Zu schwach, um selbst reisen zu können, rufen sie Hermes (Daniel Weiler), den Götterboten, um Hilfe. Er soll zu Apollo (Francesca Paratore) und Artemis (Domenica Radlmaier), nach einem Heilmittel fragen.

Doch auch diese wissen nicht, wie die Krankheit zu heilen ist. Apollo, Gott der Vorhersehung, schickt Hermes deswegen zu den Unterweltgöttern Phobos (Konstantin Riedl) und Deimos (Felix Mischitz), die ihn schließlich an Pluto (Rupert Grössinger), Gott der Unterwelt, verweisen. Dieser weiß Rat: Die Menschen haben durch ihre Gier nach Gütern und Gold den Bezug zu den Elementen und Göttern verloren. Sie können sie nicht mehr hören. „They can hear only the sound of the gold“, singt Pluto, oder eben nicht. Anstelle einer Lösung schickt Pluto Pandora, die in ihrer Büchse immer noch die Hoffnung hat, um die Elemente am Leben zu erhalten.

Mit obigen Zitat wird auch klar, warum es eine stumme Oper ist: Die Zuschauer, eben Menschen, können die Götter und Elemente auf der Bühne nicht mehr hören. Die Stille ist demnach von der Handlung der Oper bestimmt, ebenso wie sie eine Verbindung zum Publikum und eine Anklage an dieses ist. Denn selbst nachdem Pluto den Auslöser der Krankheit erkannt und Hermes mitgeteilt hat, bleibt die Handlung ohne Ton. Dabei hat der Komponist ein gutes Gespür für Dauer der Stille bewiesen: Fünfzig Minuten sind angemessen, das Neue zu verarbeiten und sich darauf einzulassen.

Castilla-Ávila versucht, aktuelle Themen wie Umweltverschmutzung, Zerstörung und Ausbeutung der Erde mit der griechischen Mythologie und Spiritualität zu verbinden. Allerdings gelingt ihm dies nicht durchgehend: Das Libretto wirkt mit dem schlichten Englisch und der einfachen Handlung bisweilen platt. Daneben ist es auch nicht klar, warum der Gott der Unterwelt anstatt Hades Pluto genannt wird, da dieser der römischen Mythologie entstammt.

Der „Rest“ dagegen ist souverän gelöst: Das Orchester, dass ebenfalls stumm ist, dient wirkungsvoll als Bühnenelement, hängend an den Seiten der ansonsten leeren Bühne. Die Sänger und Sängerinnen „sangen“ unter dem Dirigat von Gertraud Steinkogler-Wurzinger klar und deutlich, man konnte die Wörter, die auf die Bühnenwand projiziert worden sind, auch an ihren Mündern ablesen. Ebenso überzeugten ihre schauspielerischen Leistungen (Regie: Mattia Meier und Christian Sattlecker) durchwegs. Allerdings war manchen anzusehen, dass sie sich mit dem Konzept nicht wirklich wohl fühlten: Leicht unsichere Blicke huschten immer wieder zur Dirigentin.

Eine stumme Oper, in der einzig zu Beginn und zum Schluss ein Pochen zu hören ist, das an einen Herzschlag erinnert. Das ist eine Herausforderung für sämtliche Beteiligten: Regisseur, Dirigentin, Sänger und Sängerinnen und auch für das Publikum. Dass die Stille an diesem Abend bis in die Reihen des Publikums vordrang, spricht allerdings für den Erfolg des Konzepts – ebenso wie der Applaus danach.

Dieser Text ist entstanden im Rahmen der Lehrveranstaltung „Palimpsest und Festplatte“ am Fachbereich Germanistik der Universität Salzburg.
Bilder: Universität Mozarteum

 

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