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Kulturwille ist Lebenswille

FESTIVAL FÜR VIKTOR ULLMANN / UNIVERSITÄT MOZARTEUM

20/10/14 Zum 70. Todestag widmete die Universität Mozarteum dem 1944 in Auschwitz ermordeten Komponisten Viktor Ullmann ein kleines, feines Festival im Solitär. Lehrende und Studierende spielten drei Kammerkonzerte am 18. und 19. Oktober. Die Pianistin Jeannette de Boer hat die Programme mit größtem persönlichem Einsatz gestaltet und moderiert.

Von Gottfried Franz Kasparek

Viktor Ullmann war katholisch getaufter Jude und tschechischer Staatsbürger. Goethe und Rudolf Steiner waren seine Idole. Schönberg und Zemlinsky förderten ihn. In den 20er-Jahren ein maßgeblicher Musiker der Moderne, zog er sich 1931 als anthroposophischer Buchhändler nach Stuttgart zurück, ehe er ab 1933 in Prag zum Musikerberuf zurückkehrte. Nach 1939 geriet er in die Fänge des Nationalsozialismus und wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert. Zwei Jahre lang prägte er das in der Musikgeschichte einmalige Musikleben im Vorzeige-Ghetto der Nazis. Ullmanns das Grauen der Zeit spiegelnde Oper „Der Kaiser von Atlantis“ ist mittlerweile geradezu ein Repertoirestück geworden. Sein reichhaltiges Vokal- und Instrumentalwerk führt daneben eher ein Schattendasein.

Im Solitär wurden am Samstag (18.10.) frühe Werke vorgestellt, am Sonntag (19.10.) in einer Matinee und einem Nachmittagskonzert solche aus Theresienstadt. „Unser Kulturwille war unserem Lebenswillen adäquat“, so der Komponist 1944, kurz vor der Überstellung ins Todeslager.Die kluge Programmierung, die einfühlsame Begleitung durch Jeannette de Boer und weitere Mitwirkende, die allgemein hohe Qualität der Darbietungen überzeugten. De Boer zu ihrer Idee: „Als ich die Biografie der heuer 110jährig gestorbenen Pianistin Alice Herz-Sommer, einer Überlebenden von Theresienstadt, las, schaute ich die Daten von Ullmann nach – ich kannte natürlich seine Musik, aber jetzt traf sie mich wie ein Blitz, wurde zu einem inneren Auftrag.“

Am vielleicht letzten sonnigen Herbstwochenende fanden recht wenige Leute den Weg in die Konzerte. Diese wurden freilich reich belohnt. Im Zentrum standen Ullmanns sieben Klaviersonaten. Zwischen Atonalität, Dodekaphonie, Expressionismus und Spätromantik hat Ullmann einen eigenen, durchaus zukunftsträchtigen Weg gefunden. Der Tonalität blieb er im Prinzip treu, ohne neue Entwicklungen auszusparen. Atonale Klänge setzte er mit sicherem Gespür für dramaturgische Abläufe zwingend ein. Souveräne Klassizität herrscht vor, ausgefeilte Rhythmik und die Kunst der Obertöne verbinden sich in Ullmanns Stil mit manch lyrischer Melodik und aufs Wesentliche konzentrierter Aussage.

Es fällt schwer, die reiche Palette der beiden besuchten Sonntagskonzerte in wenigen Sätzen auszudrücken. Eric Chumachenco, ein Ullmann-Spezialist, und Hiroko Miki interpretierten die 5. und 6. Klaviersonate mit Energie und Gefühl. Sängerinnen im Studium (Francesca Paratore, Charlotte Brooks, Maria Hegele), Liedbegleiter und ein junges, weibliches Streichtrio setzten sich mit Verve und Können für die vielgestaltige Liedkunst Ullmanns ein. Der Bassist Krzysztof Borysiewicz berührte mit den drei Jiddischen Liedern op. 53 (1944), Yvonne Hartinger mit „Vor der Ewigkeit“.

Das Finale schließlich wurde endgültig zum Ereignis. Peter Lang fand einfühlende Worte für die großartige 6. Sonate, die in einer Tripelfuge über ein hebräisches Lied, einen hussitischen Choral, einen katholischen Gesang und BACH gipfelt. Ein Vermächtnis. Peter Lang spielte diese so wundersam klare, innige, fast paradox lebensfreudige, ein visionäres Gegenbild zum ideologischen Wahn schaffende Musik mit der ihm eigenen Brillanz, vor allem jedoch mit gerade in der Diskretion tiefer Ausdruckskraft.

Auch Siegfried Mauser sprach goldene Worte über „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“. Das Kriegs-Melodram nach Rainer Maria Rilke, Ullmanns letztes vollendetes Werk aus dem Herbst 1944, erfassten Mauser und der unprätentiös eindringliche Sprecher Albert Weilguny in all seiner harmonischen Vielschichtigkeit, dramatischen Gestik und emotionalen Kraft.

Rektor Siegfried Mauser plant, das Festival an andere Hochschulen zu „verkaufen“. Auf eine CD-Aufnahme des Programms darf man sich im September 2015 freuen.

Bild: www.uni-mozarteum.at

 

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