Reduktion und Emphase
SCHLOSSKIRCHE MIRABELL / STADLER QUARTETT
04/06/14 In der Schlosskirche Mirabell konnte man am Dienstag (3.6.) trefflich über die Wege der neuen Musik meditieren. Das stadler quartett zeigte sich wieder einmal in allen Stilen sattelfest.
Von Paul Kornbeck
Christian Ofenbauers kompromisslose Arbeit an der radikalen Ausdruckslosigkeit nötigt auch dann Respekt ab, wenn man diesen Weg für eine Sackgasse hält. Zumal eine Musik völlig „senza espressione“ kaum wirklich funktioniert. Ofenbauers „Vierter Streichquartettsatz“ aus dem Jahr 2010 weckt aller Reduktion der Textur zum Trotz Gefühle. Mikromelodien entwickeln sich in minimaler Variation, alles tickt wie eine Uhr dahin und bringt erstaunlich tänzerische Impulse, denen es an hintergründigem Witz nicht mangelt. Pointierter als Frank Stadler, Izso Bajusz, Predrag Katanic und Florian Simma kann man diese schräge Spieldosenmusik nicht spielen.
Günter Kahowez, der liebenswerte musikalische Privatgelehrte aus Vöcklabruck, hat anno 1991 ein im Vergleich zu Ofenbauer emphatisches Streichquartett zum 90. Geburtstag des legendären Chefs der Universal Edition, Alfred Schlee, geschrieben. Eines unter vielen, welches damals in Wien vom Arditti Quartett nur teilweise aufgeführt wurde. Die Gesamtaufführung dieser kunstfertigen „Feuerrose“ wurde nun durch eine melancholische „Verklingende Feuerrose“ von 1996 ergänzt und der Komponist freute sich über den herzlichen Applaus.
Friedrich Cerhas wundersames spätes Kammermusik-Schaffen birgt immer wieder neue Überraschungen. Der Altmeister mischt Tradition und Avantgarde mit Temperament, Gusto und unverwechselbarer Persönlichkeit. Die 9 Bagatellen für Streichtrio, 2008 für Ernst Kovacic entstanden, nun von Frank Stadler, Predrag Katanic und Florian Simma souverän präsentiert, sind wahre Kleinodien. Cerhas sehr ausdrucksvolle Musik spannt ein weites Panorama von Stimmungen auf, in aphoristischer Kürze, aber stets musikantisch durchpulst. Da ist für schabende Klänge ebenso Platz wie für durchaus romantische Kantilenen, rhythmische Urgewalten und süffige Farbigkeit. Am liebsten würde man die neun atmosphärischen Klangbilder gleich noch einmal hören.
Ähnliches gilt für die Moments musicaux op. 44, die György Kurtág 2005 verfasst hat. Ein feiner Zyklus von sechs Stücken, die jeweils Weggefährten, Interpreten oder Vorbildern des Komponisten gewidmet sind. Kurtág bleibt jedoch immer er selber, auch wenn er im Finale „in Janáčeks Manier“ schreibt. Auch er schöpft aus der Tradition und entwickelt diese schlüssig und phantasievoll weiter. Nicht von ungefähr verwendet auch er einen romantischen Titel. Mit Schubert verbindet ihn die Tiefe der doppelten Böden, welche diese luziden Charakterstücke durchziehen. Das handverlesene Publikum spendete in dem von der Paul Hofhaimer gesellschaft in Zusammenarbeit mit der ÖGZM veranstalteten Konzert reichen Applaus.