Der „vierte“ Wiener Klassiker aus Salzburg
WOELFL-FESTKONZERT / DEUTSCHE BLÄSERSOLISTEN
27/05/14 Wahrscheinlich waren das alles Salzburger Erstaufführungen: Die Deutschen Bläsersolisten, zusammen mit dem Klarinettensolisten Ulf Rodenhäuser und Christa Ratzenböck (Mezzosopran) auf den Spuren von Joseph Woelfl.
Von Horst Reischenböck
Ein Schicksal, nicht unähnlich jenem von Wolfgang Amadé Mozart: Dessen Abgang nach Wien bewirkte, dass Johann Michael Haydn damals im Allgemeinbewusstsein zum „Salzburger“ Komponisten schlechthin mutierte. Das zweite Salzburger Wunderkind der Epoche, Joseph Baptist Woelfl (1773-1812) wurde in Europas Musikmetropolen gefeiert, niemand erinnerte sich seiner Salzburger Wurzeln. Woelfl darf vielleicht als bestverdienender „vierter“ Wiener Klassiker gelten.
Als er in London starb, verhinderte Napoleons Kontinentalsperre, dass die Mitteilung über sein Ableben (nach nur 39 Lebensjahren) nach Mitteleuropa drang. Vor zwei Jahren lieferte Woelfls 200. Todestag endlich den Anlass, an der Talstation der Festungsbahn eine Gedenktafel anzubringen. Dort stand einst sein Geburtshaus, auch der Salzburger Haydn wohnte dort. Dieser und Leopold Mozart waren Woelfls Lehrer. Als der junge Mann bei Wolfgang Amadeus Mozart in Wien auftauchte, war dieser ob der pianistischen Fähigkeiten des Salzburger beeindruckt.
Beim zweiten Internationalen Joseph Woelfl-Symposium, vorige Woche in Salzburg, ging es nicht nur um geschichtliche Erkenntnisse und um Werkbetrachtungen – man versuchte auch wieder, in mehreren Konzerten Woelfls Musik der Vergessenheit zu entreißen. Am Samstag (24.5.) im Großen Saal des Mozarteums wirkten die Zuhörer freilich „handverlesen“.
Die in München beheimateten Deutschen Bläsersolisten – Solisten führender Orchester der BRD mit ihren Studenten und mit der Oboistin Isabella Unterer aus dem Mozarteumorchester als Einspringerin – widmeten sich den Harmoniemusiken. In Anbetracht der da noch frühsommerlichen Temperatur wuchs der Wunsch, diese Stücke doch im Freien genießen zu dürfen. Die Harmoniemusiken waren wohl noch nie am Ort erklungen, auch nicht die noch in Salzburg entstandene Sei Sonata Fw 5. Mit je einem Paar Oboen, Hörner und Fagotte, dazu einem Kontrafagott wurden diese auf hohem Niveau unterhaltenden Stücke umgesetzt, mit steigerndem Anspruch an die Interpreten, etwa für den Ersten Hornisten Wolfgang Gaag.
Diese Musiken spiegeln auch auf kleinstem Raum Woelfls Entwicklung binnen kürzester Zeit, wie er sich freigespielt hat von Vorbildern wie Mozart. An dessen Klangbild kam freilich niemand vorbei kam – Analogien an dessen Bläserkonzertante oder „Cosí“ sind mitunter nicht zu überhören.
Auch in seine dazumal in Wien erfolgreichen Komische Opern wie „Das schöne Milchmädchen“ oder „Der Kopf ohne Mann“, fügte Woelfl vornehmlich bukolisch angehauchte Arien ein, in denen Bläser assistieren. Christa Ratzenböck, ehemals Studentin am Mozarteum und in Salzburgs Mozartwettbewerb preisgekrönt, engagierte sich schon in der Vergangenheit für Woelfl: Hier streute sie, virtuos bis ins Mezzo-Register hinunter, zwei dieser Arien zur Auflockerung ein.
Nach der eigentümliche Klangfarben beschwörenden Geistermusik aus „Der Höllenberg“ dann als finaler Höhepunkt das gleichfalls nur bläserbegleitete Concerto per Clarinetto WoO 2.2 – Dieter Klöcker, einst emsigster Repertoiresucher, würde sich noch heute ärgern, dass nicht er es entdeckte. Das Stück ist, wie die Konzerte von Mozart, Süssmayr und Eybler, sicherlich für den Zeitgenossen Anton Stadler geschrieben worden. Es wäre eine Literaturbereicherung für Klarinetten-Virtuosen. Hier hat sich Ulf Rodenhäuser (einst Mitglied der Berliner Philharmoniker) in allen Registern seines Instruments sonnen konnte.