Die Ich-AG und das Chorsingen
HINTERGRUND / LANGE NACHT DER CHÖRE
28/05/14 Die Liste der bei der „Langen Nacht der Chöre“ heute Mittwoch (28.5.) auftretenden Chöre macht Spaß: „Quasisolo“ besteht zwar aus zwanzig Sängern, aber offenbar fühlen sie sich als eine Gruppe von ausgeprägten Individualisten. Die „Ringlsingers“ geben dann Laut, wenn Hochzeitsringe überreicht werden – Hochzeitsmessen seien ihre Spezialität, heißt es.
Von Reinhard Kriechbaum
Vor zwanzig, dreißig Jahren hat man als Chorsänger ziemlich alt ausgesehen – nicht nur in Salzburg. Mit dem Ende von Musik als „bürgerlicher“ Freizeitbeschäftigung schien vor allem das Chorsingen von Amateuren unter die Räder gekommen zu sein. Wer das Wort „Singkreis“ oder gar „Liedertafel“ im Namen führte, hatte etwas verdächtig Altmodisches an sich. Mit dem sozialen Wandel hin zur Ich-AG schien das disziplinierte Singen in der Gruppe wenig attraktiv.
Unterdessen hat sich die Situation grundlegend gewandelt, das Singen ist offenbar wieder sexy. Eine Vielzahl von Chören ist nicht nur erfindungsreiche beim Ausdenken von hippigen Namen, sondern viele bemühen sich quasi um eine eigene Handschrift. Wenn man den Folder zur „Langen Nacht der Chöre“ liest, auf dem sich die Ensembles vorstellen, kann man diesen neuen Geist gut nachfühlen. Als einen „bunt gemischten Laienchor mit Charme, Lust und Freude am Singen und einer lebendigen Gemeinschaft“ beschreibt sich etwa eine Gruppe, die sich „Mundwerk“ nennt. „Musikalische Weiterentwicklung streben wir an, eine Vielfalt im Repertoire zeichnet uns aus!“
Ein Name wie „Salto vocale“ suggeriert Artistik beim Singen, und dies ist tatsächlich eine Gruppe, die mutig (und erfolgreich) in Wettbewerbe geht, denn die „Gewandtheit in nahezu allen Gebieten der chorischen Musik – geistliche Werke aller Epochen, Pop-Arrangements, zeitgenössische und ältere weltliche Chormusik oder auch mal ein Chorkrimi – ist die besondere Stärke des etwa 40köpfigen Chores“. Die eingangs erwähnte Gruppe „Quasisolo“, die übrigens von einem Countertenor geleitet wird, hat zuletzt beim internationalen Chorwettbewerb „Praga Cantat“ in der Kategorie „Gemischte Chöre“ Gold ersungen.
Über vierzig Chöre und Ensembles mit rund 1000 Sängerinnen und Sängern aus dem ganzen Bundesland haben sich zur Zweiten Langen Nacht der Chöre in der Stadt Salzburg angesagt. Hoffentlich hört es zeitgerecht zu regnen auf, heute Mittwoch (28.5.) Abend ab 19 Uhr. Aber die meisten Auftritte finden ohnedies unter Dach statt, in Kirchen, in der Alten und neuen Residenz, in der Sala terrena der Universität oder in der Säulenhalle des alten Rathauses. Auch in Gasthäusern, und sogar in der Saurierhalle im Haus der Natur und in den Katakomben von St. Peter. Echtes „open air“ ist nur zur Eröffnung am Rathausplatz (19 Uhr) und zum Abschluss im Innenhof der Alten Residenz (22.30 Uhr) angesagt.
„Gastein.Klang“, „dorfKlang Elixhausen“, „Triangel-Chor Oberndorf“, „Stimmen aus Lessach“, „Singgemeinschaft Joy“ aus Tamsweg, „Vocal 12“ aus Obertrum, „KowiKanto“ (Koppl): Die Gruppen wachsen offensichtlich in Stadt und Land gleichermaßen. Typisch für die Chorszene ist, dass es kaum mehr reine Volksliedchöre gibt, sondern viele dieser Ensembles auf multikulturelles Repertoire und auch auf eine Mischung von alt und neu setzen. Gruppen mit mehr als zwei Dutzend Mitgliedern sind auch schon die Ausnahme, vor allem jungen Leuten ist es wichtig, persönlich herausgefordert zu sein. Je kleiner das Ensemble, je beweglicher, desto attraktiver ist es vor allem für junge Leute.
Gelegentlich profilieren sich solche Ensembles auch auf ganz eigenem Terrain: Da gibt es beispielsweise das Ensemble der Musical Company Austria, die sich als „ein Kompetenzzentrum für Musicaldarsteller in Salzburg“ sieht und „sich aktiv der Talente- und Nachwuchsförderung in diesem Genre verschrieben“ hat. Nicht zu vergessen natürlich auf Chöre, die eigentlich schon professionellen Standard erreicht haben, etwa Helmut Zeilners „KlangsCala Salzburg“. Der Franz-Schubert-Chorpreis 2010, der esamtsieg bei „Austria Cantat“ 2012 und der Erste Preis beim Wettbewerb für zeitgenössische Chormusik „Canta Sacra“ in Rom 2013 – auf so eine Liste internationaler Ehre kann nicht so bald ein Ensemble verweisen.
350 Kokalgruppen gibt es im Bundesland – eine eigentlich erstaunliche Zahl. Eine Initiative wie die „Nacht der Chöre“ soll natürlich nicht nur der Volksbelustigung (und der eigenen Freude am Singen) dienen, sondern auch Zuhörende für die Sache gewinnen. Sie soll sogar dazu verführen, es selbst mit dem Chorsingen zu probieren. Und drum bietet jedes der teilnehmenden Ensembles, egal ob aus Stadt oder Land, in der nächsten Woche offene Proben an, zum Hineinschnuppern.