Unbeantwortete Fragen
MOZARTEUMORCHESTER / JOSHUA WEILERSTEIN
24/04/14 Gibt es eine „amerikanische“ Musik? Da gälte es sogar noch weiter zu differenzieren, nämlich, Amerika als Kontinent betrachtet, oder eine „US“-Amerikanische? So recht bewusst wurde das nach Ausbruch des 2. Weltkriegs, als es beispielsweise 1939 in zwei Konzerten in Boston darum ging, nationalistischen Stimmungen Auftrieb zu geben.
Von Horst Reischenböck
Wer Leonard Bernsteins Tanzepisoden aus „On the Town“ aufmerksam verfolgt, hört indessen genau, was und wie viel an europäisch geprägtem „Ballast“ darin Eingang fand. Bei der ursprünglichen Instrumentierung dieses Werks haben übrigens dem damals noch nicht so sattelfesten Komponisten fünf weitere „Köche“ den Brei durchaus nicht verdorben.
Eine Marginale aus dem Kulturvereinigungskonzert unter Joshua Weilerstein im Großen Festspielhaus. Von dem 26jährigen Amerikaner, der ja wohl um diese Musik seines Landmanns bestens Bescheid wissen muss, wurde das Werk suggestiv vermittelt und das Mozarteumorchester zeigte also gleich zum Konzertauftakt am Mittwoch (23.4.) seine in allen Gruppen hochstehenden Qualitäten. Immer wieder, auch im weiteren Verlauf des Abends, war der samtig seidenweich, gelegentlich auch fetzig das Saxophon blasende Erste Klarinettist.
Joshua Weilerstein wird in jüngster Zeit sehr zu recht quasi von einem Symphonieorchester zum nächsten als Debütant „weitergereicht“. Bereits bei Bernstein zeigte er nachdrücklich seine schlagtechnischen Qualitäten, vor allem in den präzis vermittelt vertrackten Rhythmuswechseln des abschließenden „Times Square“.
Nachdem Bernsteins Freund Aaron Copland an seinem Ballett „Appalachian Spring“ zu arbeiten begonnen hatte, schrieb er: „Ich schmeichle mir … für mich und andere den Anstoß zu einer Art musikalischer Natürlichkeit gegeben zu haben, die wir bitter nötig hatten.“ Ursprünglich für 13 Instrumenten erdacht, war die 1945 orchestrierte Suite, auf Kammerorchesterbesetzung reduziert, bei uns schon vor zwei Jahren zu erleben gewesen. Im Großformat vermag sie ihre Meriten, vor allem im perfekt abgerundeten Blechbläserchoral klanglich natürlich noch opulenter auszuspielen.
Joshua Weilerstein ließ das subtil in allen Facetten auskosten, genau so wie nach der Pause das (nur wieder einmal gerade dann durch Huster „garnierte“) phänomenale Pianissimo der Streicher. Es ist die Unterlage zum Frage-und-Antwort-Spiel zwischen der hinter der Kulisse postierten Solotrompete mit dem immer aggressiveren Flötenquartett in Charles Ives „The Unanswered Question“. Diese unbeantwortete Frage hat Weilerstein durchaus sinnvoll unmittelbar in Antonin Dvořáks berühmte 9. Sinfonie in e-Moll, op. 95, übergeführt. Sie versagt nach kurzer fast Trauermarsch-ähnlicher Episode gegen Ende zu allerletztem Aufschwung auch Triumph, klingt stattdessen auch mit einer in den Raum gestellten Frage „Aus der neuen Welt“ aus: Der Böhme hat die Neue Welt doch als nicht so unbedingt in allem positiv empfunden und die Symphonie an seine Heimat adressiert. Wie auch in seinen späten Tondichtungen ist auch die „Neunte“ zwar programmatisch inspiriert, doch Dvorak benutzte keine der ihm schon in Prag bekannt gewesenen Originalmelodien.
Joshua Weilerstein vertiefte sich und das Orchester grandios differenzierend in dieses Klangfresko (darin einmal mehr besonders berührend ausgekostet das bekannte Englischhornsolo im Largo), nachdem er schon auf den stürmisch genommenen Schluss des Kopfsatzes spontanen Applaus provoziert hatte. Das Mozarteumorchester war durch die Zusammenarbeit hörbar inspiriert und gewährte als Draufgabe den 1. Slawischen Tanz aus op. 46.