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Mit Spielwitz und Gefühlstiefe

WIENER SAAL / STADLER QUARTETT

12/03/14 Das Stadler Quartett hat einen großen Namen in der Neuen Musik. Dass die vier Herren nicht nur eine spannende Uraufführung, sondern auch große Klassik und Romantik mit hohem Anspruch und eigener Qualität musizieren können, unterscheidet sie von so manch anderem Elitequartett der Avantgarde.

Von Paul Kornbeck

138Kein Wunder, sind Mozarteumorchester-Konzertmeister Frank Stadler, der seit 2012 Peter Sigl ersetzende Solocello-Kollege Florian Simma, der häufig in der Camerata tätige zweite Geiger Izso Bajusz und der vielseitige Bratscher Predrag Katanic doch ohnehin ständig mit Musik verschiedenster Zeiten beschäftigt. Da kann, gottlob, keine Spezialisierung oder Einengung stattfinden. Was jetzt nicht heißt, dass das Quartett nicht in Bereich des Neuen besonders beschlagen wäre. Mit so viel Sinnlichkeit, mit so perfekter Mischung aus klanglicher Eleganz und präziser Schärfe spielt kaum wer in der Szene avancierte Quartette.

Thomas Larcher gehört zu den wesentlichen Komponisten nicht nur Österreichs, was jene Moderne betrifft, welche die Tradition ebenso wenig leugnet wie die Innovation, welche urmusikalische Parameter wie Melodie und Rhythmus beachtet – und dennoch, wie Larcher, keinen Takt lang altmodisch oder bloß eklektisch komponiert. Das nun, am 11. März im Wiener Saal uraufgeführte 4. Streichquartett des Tirolers, nach eigenem Bekunden ein „Quartetto serioso“, aber das erste ohne Titel, beeindruckt und, ja, berührt von ersten, geräuschhaften und unglaublich emotionalen Einsatz an. Das sich zu leuchtenden Glissandi verdichtende Geräuschhafte ist hier nicht tönende Mathematik, nicht Selbstzweck oder Mittel der Zertrümmerung, es ist innerster Ausdruck, der sich in den pausenlos ineinander übergehenden drei Teilen mit weit atmenden Kantilenen und dramatischen Stimmungswechseln zu einem zwingenden Ganzen fügt.

Das ist dem Stadler Quartett, dem das Werk gewidmet ist, wahrlich in die Saiten geschrieben. Dem Wunsch des Veranstalters, Verbindungen zu den umrahmenden Quartetten herzustellen, ist Larcher nachgekommen, ohne das geringste Zitat zu verwenden. Aber sowohl Haydns hintergründiger Spielwitz als auch Tschaikowskis harmonisch meisterhaftes instrumentales Gefühlstheater finden sich auch in Larchers Quartett, liebevoll gespiegelt in eigener Musiksprache. Der Erfolg war groß – leider konnte der an einer Grippe darnieder liegende Komponist ihn nicht persönlich entgegen nehmen.

Vorher war Joseph Haydns hoch experimentelles Es- Dur-Quartett op, 64/6 erklungen. Grandios, wie sich die vier sich frei nach Goethe auf höchstem Niveau unterhaltenden Herren die klingenden Bälle und Pointen zuwarfen, wie Frank Stadler inmitten des vitalen Treibens im Andante eine existentielle Frage stellte, wie das Finale Haydns harmonische Späße zu einem reinen Vergnügen machte, das sich am besten mit dem englischen Wort „sophisticated“ beschreiben lässt.

Nach der Pause also Tschaikowskis 3. Quartett in es-Moll, ein unsagbar trauriges und doch in der Katharsis des Finales tröstliches Requiem für einen verstorbenen Freund, den Geiger Ferdinand Laub. Das 40minütige Werk ist nicht weniger experimentell als die anderen Quartette dieses Abends. Das lastende In-sich-Kreisen des ersten Satzes mit seinen kaum mehr zusammengehaltenen Dissonanzen, die gewagte Dramaturgie, zwei monumentale, symphonische, tragische Sätze durch zwei knappe, das Diesseits malende zu kontrastieren, dies waren anno 1876 Schritte in die Zukunft. Das Stadler Quartett interpretierte Tschaikowskis Emotionsmusik genau richtig, nämlich austariert zwischen Verinnerlichung und theatralischen Effekt und ohne jegliche Sentimentalität, dafür mit bewegender Gefühlstiefe. Großer Applaus.

Bild: Stadler Quartett

 

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