Antik angehaucht
CAMERATA / PHILIPPE HERREWEGHE
10/03/14 Ein Triumph für Philippe Herreweghe als Beethoven-Interpret und viel Beifall auch für die Uraufführung von Thomas Daniel Schlees Auftragskomposition „Horai“ beim 4. Abonnementkonzert im Camerata-Zyklus.
Von Horst Reischenböck
Die Kombination von Ludwig van Beethovens „Coriolan“-Ouverture mit der „Eroica“ wirkt allemal schlüssig. Die beiden Werke sind in zeitlicher Nähe entstanden. Man kann auch antikisierende Verbindungslinien konstruieren: Die Tragik um den römischen Patrizier komprimiert die c-Moll-Ouverture op. 62 in kürzest schlüssige Form, und in dem ursprünglichen Widmungsträger der Sinfonie Nr. 3 in Es-Dur op. 55, Napoleon, sahen jakobinische Literaten Italiens einen neuen Prometeus. Gedankliche Anregung für den Komponisten, sich im Finale des schon in einem Kontretanz und Klaviervariationen benutzen Themas aus seiner Ballettmusik op. 43 zu bedienen? Es lässt sich nicht hundertprozentig beweisen.
Philippe Herreweghe hat sich nicht nur im historischen Klanggewand, beispielsweise durch sein Orchestre des Champs-Élysées, einen Namen gemacht. Wie Nikolaus Harnoncourt bedarf er mittlerweile längst keiner Originalinstrumente mehr, um dem Geist klassischer oder romantischer Vorlagen vollinhaltlich zu entsprechen. Vorausgesetzt, ihm steht ein entsprechend williger Klangkörper von der unbestrittenen Qualität wie der Camerata Salzburg zur Seite. In übrigens nur geringfügig umfangreicherer Besetzung, wie sie einst Beethoven selbst zur Verfügung hatte: die Uraufführung im deswegen so benannten „Eroica“-Saal des Palais Lobkowitz spielten ganze 28 Musiker!
Das ermöglichte auch hier nun eine ganz andere Klangbalance untereinander, Durchhörbarkeit nicht zuletzt durch weitestgehenden Verzicht auf Vibrato, Präsenz beispielsweise der wieder einmal phänomenalen Holzbläser oder der prachtvoll zur Jagd aufblasenden Horntrias inmitten des Scherzos der Sinfonie. Deren Konflikte im Kopfsatz nahm Herreweghe beherzt in Angriff, ganz im Wissen um die damals gepflegter Tempi. Auch für der über die Tradition französischer Trauermusiken weit hinausgehende Marcia funebre huldigte Herreweghe dem Duktus gemessen festen Schrittes, wie eben hinter einem Sarg einherschreitend. Auf das großartig plastisch durchgeformte Finale konnte nur jubelnde Zustimmung folgen - eine Interpretation erben, die ihresgleichen sucht!
Zwischen Ouverture und Sinfonie eingebettet hob die Camerata die durch sie initiierte Konzertante Musik für Orgel und Kammerorchester „Horai“ op. 79 von Thomas Daniel Schlee aus der Taufe. Als „das Land der Griechen mit der Seele suchend“ wäre das Dutzend nahtlos aneinander gefügter Episoden antiker Titel trefflich zu beschreiben: in Schlees eigener Erklärung ein Tagesablauf, vorerst aus Nacht ähnlich Haydns „Schöpfung“ oder Strauss’ „Zarathustra“ in einen Sonnenaufgang strahlender Orgelskalen mündend, der Vergleich nicht scheuen braucht. In die Morgenstunde mischen sich Walzeranklänge, leicht orgiastisch angehauchte Gymnastik löst kantabel das Flötensolo einer Nymphe ab. Über den Mittag lastet impressionistische Schwüle und führt kurz danach dann in hymnisch kontrapunktisch gesteigerten Zenit. Nach rhythmischem Klatschen der Streicher steuert das Englischhorn eine Elegie bei, und zuletzt öffnet sich dem geistigen Auge des Hörers das Sternenfirmament.
Das Werk ist bewusst nicht als Orgelkonzert konzipiert, bietet deshalb dem Organisten – in der Uraufführung Christian Schmid – keine Chance zu virtuoser Zurschaustellung seines Könnens (das nutzte er in einer kurzen Draufgabe). Die mehrheitlich absolut tonalen Klänge regen ohne Anbiederung und eigentlich auch ohne Kenntnis des innewohnenden Programms zu Assoziationen an. Entsprechend positiv fiel die Resonanz aus.