Irdische und himmlische Freuden
DELIRIUM 2
19/12/11 Wenn sich der Jazz mit der Romantik vermählt und das Ganze ist gut gemacht, dann ist der Erfolg sicher. Daniel Schnyder durfte im „Delirium“-Konzert im Mozarteum begeisterten Applaus entgegen nehmen und er hat ihn sich verdient.
Von Gottfried Franz Kasparek
Maestro Gustav Kuhn hält ihn für „den besten Komponisten überhaupt“, was die Gegenwart betrifft. Zweifellos beherrscht der aus Zürich gebürtige, in New York City wohnhafte, in Stuttgart unterrichtende Daniel Schnyder sein Handwerk perfekt. Er schreibt Opern, Symphonien und Kammermusik, er ist ein virtuoser Saxophonist und versucht, in seinem Oeuvre Klassik und „Weltmusik“, Jazz und Pop auf einen Nenner zu bringen.
Das Konzert für Sopran- und Tenorsaxophon, Bassposaune und Orchester aus dem Vorjahr hat noch dazu ein griffiges Programm zwischen Mahler und den „Planets“. Ein klangmalerisches „Lied vom Wasser“, mythologische „Luftlieder“, eine wohlig schöne „Mondnacht“ und ein swingender „Tanz der Sterne“ ergeben eine effektvolle Filmmusik ohne Film. Zwischendurch lassen Gershwin und Bernstein grüßen. Avantgardistisches erscheint nur am Rande, im Zentrum stehen Melodie und Rhythmus, alles ist mit Geschmack und Gefühl für Klangfarben arrangiert. Das halbstündige Stück ist wirkungssicher instrumentiert und schon wegen der dominierenden Solostimmen Reperoire-verdächtig. Wie viele Konzerte gibt es schon für diese Instrumente?
Daniel Schnyder ist sein eigener Interpret, wechselt souverän zwischen den beiden Saxophonen und bläst auch schwierigste Passagen scheinbar mühelos. David Taylor an der Bassposaune ist ebenso ein Charismatiker und kennt keine musikalischen Grenzen, hat er doch mit Stokowski und Boulez genauso konzertiert wie mit Sinatra oder den Rolling Stones. Einfach mitreißend, welche Brillanz und Leichtigkeit, wie viel Witz und Ausdruck er seinem oft eher als handfestes Bassfundament verwendeten Instrument entlocken kann. Gustav Kuhn und sein jugendlich frisches „Orchester der Tiroler Festspiele Erl“ hatten sichtlich und hörbar großen Spaß an der Sache. Die beiden Erzmusikanten Schnyder und Taylor belohnten den Applaussturm des Publikums mit einem bei allem Groove fein nuanciertem Duo. Ein gerüttelt Maß von dieser unbekümmerten Spielfreude möchte man vieler „Neuen Musik“ von heute dringend wünschen.
Schnyder hat in seinem Stück, entstanden für das Festival in Toblach, sich ganz explizit auf Gustav Mahler und dessen Natur-Musik bezogen. Nach der Pause gab es einen würdigen Abschluss der beiden vergangenen „Mahler-Jahre“, die sich ja auch in Salzburg nicht verschweigen ließen, obwohl längst jedes Jahr auch ein „Mahler-Jahr“ ist.
Die Vierte Symphonie erklang in einer runden, in den ersten beiden Sätzen mitunter sehr geschärften Wiedergabe. „Freund Hein“ fiedelte da der wienerischen Gemütlichkeit gehörig um die Ohren. Das Orchester sorgte für tonschöne Soli in allen Bereichen. Im dritten Satz erreichte Kuhn eine phänomenale Balance zwischen dichter Intensität des Ausdrucks und klarer Transparenz des Klangs, vermied jegliches Sentiment, vermochte aber eben dadurch tief zu berühren. Aus den seidenweichen Kantilenen der Streicher erhoben sich dunkle Gebärden und am Ende kam in den ersten Takten des Finales die junge Sopranistin Anett Fritsch wahrlich engelsgleich geschritten, um die „himmlischen Freuden“ in lyrischer Schönheit und vorbildlicher Wortdeutlichkeit zu genießen. Großer Jubel für eine knappe Stunde im Paradies der Musik.