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Eine Flügelschar von Engeln

DELIRIUM 1

19/12/11 Das Orchester sitzt schon vorne auf dem Podium. Der erste Ton kommt aber von ganz hinten. Ein einzelner Musiker geht durch den Saal nach vorn und spielt auf dem Englischhorn ein trauriges Motiv aus der „Zehnten“ Mahler.

Von Horst Reischenböck

altWeitere Bläser, unsichtbar oben auf dem Balkon postiert, treten mit dem einsamen Wanderer in ein ruhiges Gespräch, das langsam verebbt. Die geheimnisvollen Musiker verschwinden. Dann erst dann beginnt die Sopranistin Susanne Geb vorne auf der Bühne ihren Sprechgesang über die Buchstaben B.A.C.H. Das Orchester der Tiroler Festspiele Erl fällt ein. Nach einem rhythmisch bewegteren Abschnitt schwirrt gleich eine ganze Flügelschar von Engeln nach oben. Ein paar durchaus absehbar gesteigerte Akkordfolgen beendeten die Uraufführung des Stücks „B-A-C-H/Mahler – Riflessioni per Orchestra e Voce“. Der sagenhafte Komponist „Angelo di Montegral“ hat es dem Dirigenten Gustav Kuhn in die Feder diktiert. Wie der Titel ankündigt wird „reflektiert“: Über Mahlers traurige Weise (die ihre Wurzeln in Wagners „Tristan“ hat), über BACH und die Beziehungen zwischen den Großen im Komponistenhimmel.

Denn beziehungsreich waren die Programme des „Deliriums“ heuer. Nach den subtilen Mahler-Zitaten im ersten Konzert am Freitag (16.12.), folgte die „Vierte“ Mahler im zweiten Konzert am Samstag (17.12.). Dafür gab es noch am ersten Deliriumstag eine weitere „Vierte“ - die von Tschaikowski nämlich. Eine Matinee mit der Musicbanda Franiu und Sven-Eric Bechtolf und die „Neunte“ Beethoven am Sonntag (18.12.) rundeten das Gesamtprogramm zu einem weiteren erfolgreichen „Delirium“.

Der Genius loci darf bei einem solchen musikalischen Festrausch nicht fehlen. Der Pianist Peter Lang spielte Wolfgang Amadé Mozarts in der Tat „großes“ Konzert C-Dur KV 503. Peter Lang hat sich von den Auftritten her gerade hier in Salzburg lange Jahre hindurch ja leider eher rar gemacht und sich vor allem der universitären Nachwuchsförderung gewidmet. Dabei steht gerade er für „Mozart pur“. Er verzichtet als Mozartinterpret von Rang auf verzierende Arabesken, betonte etwa schon im Kopfsatz den Kontrast zwischen markanten Akkorden und flehendem Gesang. Peter Lang machte aber auch deutlich, wie oft darin bereits unterschwellig Ludwig van Beethovens späteres Schicksalsmotiv anklopft. Zusätzliche Reflexionen ließ Lang auch in seiner eigenen Kadenz anklingen. Nach Zwischenaktapplaus sang er sich durchs Andante und setzte dem einmal wirklich „Allegretto“ genommenen Finale weitere kristallklare Glanzlichter auf.

Perfekt war die Partnerschaft mit Dirigent Gustav Kuhn, der besonders die Leuchtkraft der ihm anvertrauten Holzbläsersolisten propagierte. Genauso nach der Pause, als dann  Pjotr Iljitsch Tschaikowskys Sinfonie das f-Moll op. 36 . Auch das eine Symphonie - eine „Vierte“ - mit Schicksalsmotiv.

Ausgewogen in der Gratwanderung entlang der ansonsten allzu gerne ausufernden Larmoyanz ging es „con anima“ eher zügig durch den überdimensionalen ersten Satz, der bereits vor der „Pathetique“ Tschaikowskys Faible für auf- und absteigende Tonleitern in den Instrumentengruppen dokumentiert. Exzellent tonschön artikulierten die Holzbläser die anschließend traurige Elegie, in den Trios des berühmten Streicher-Pizzikato-Scherzo vom Blech perfekt sekundiert. Durch Gustav Kuhn elektrisierend befeuert gaben sich Musiker und Publikum euphorische dem abschließenden Volksfesttaumel hin. Euphorischer Jubel.

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Bilder: dpk-klaba (1) / peter.lang.at (1)

 

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