Das Ständchen eines Esels zög ich vor
STIFTUNG MOZARTEUM / LIEDERABEND KARG
16/11/11 Älter geworden, aber nichts dazugelernt - die Menschheit in Sachen Liebe: „Liebe - Irrungen und Wirrungen“ war das Thema eines bejubelten Liederabends von Christiane Karg am Dienstag(15.11.) im Wiener Saal. Begleitet von Gerold Huber erzählte die Sopranistin Geschichten von Sehnsucht, Begehren und Erfüllung, aber auch von Schmerz, Ärger und Wut.
Von Heidemarie Klabacher
„Ihr danket Flammen euer sein, ich geb’ euch nun den Flammen wieder“, singt Luise schon beinahe abgeklärt, während sie die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers ins Feuer wirft. Wie die Flamme bekommt auch der Zorn neue Nahrung: „Ihr brennet nun, und bald, ihr Lieben, ist keine Spur von euch mehr hier.“ Und schon sackt der Triumph in sich zusammen: „Doch ach, der Mann, der euch geschrieben, brennt lange noch vielleicht in mir.“
Das emotionale Auf und Ab in Mozarts dramatischer Miniatur „Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte“ steckte - zusammen mit der unheimlichen Macht des Verführers in „Der Zauberer“ und des boshaften Amor in „Dans und Bois solitäre - den dramaturgischen Rahmen ab: Es gibt einfach nichts, auf dem Schlachtfeldern des Eros, was es nicht gibt. Und so fand große Emotion an diesem Abend ebenso ihren stimmigen Ausdruck, wie kecke Unverfrorenheit, Triumph der Erfüllung und tödliche Resignation.
Erzählt hat Christiane Karg ihre „Geschichte der Liebe“ in zeitlich aufsteigenden „Kapiteln“ von Mozart über Schubert und Wolf zu Richard Strauss - und weiter herauf zu Francis Poulenc.
Der französische Komponist hat sechs Gedichte aus dem 1939 erschienen Zyklus „Fiancailles pour rire“ von Louise de Vilmorin vertont. Einer Dichterin, die als „Liebhaberin großer Männer“ (von Saint-Exupery bis Orson Wells), wohl gewusst haben wird, wovon sie schreibt. „Zum Lachen“ ist in den sechs Liedern von jeweils ganz eigenem Ausdruck und charakteristischer Klangfarbe nicht das Geringste. „Il vole“ - „Er fliegt“ - ist ein rasches heftiges Lied, in dem fliegende Krähe und flüchtiger Liebhaber - Herzensdieb - Trauerweide und Kegelspieler als schillernder Bilderbogen vorüberhuschen. Die Singende trauert, weil sie ihrem Liebsten nicht gefällt: „Ich wünschte, dass mein Dieb mich stähle“. Morbide ist die Sinnlichkeit im Lied „Mein Leichnam ist so zart wie ein Handschuh“, während das Lied „Violine“ lustvoll unverfroren eine Szene in einer Bar schildert „In der Stunde, wenn die Gesetze schweigen“.
Christiane Karg weiß schnell wechselnde Stimmungen und musikalisch-atmosphärische Grundhaltungen mit dem Augenblick zu wechseln. Und so war ihr Abend wie der Blick in ein Kaleidoskop, in dem jeder Spiegel auf Hochglanz poliert, jedes Teilchen brillant geschliffen und von kräftigster Farbe ist. Artikulation und Textgestaltung Christiane Kargs sind glasklar und von größter Präzision: Man meint zu spüren, wie sie jeden Vokal sorgfältig rundet, jeden Schlusskonsonanten zuspitzt. Man versteht denn auch - in den schnellen Liedern ebenso wie in den großen emotionalen Ausbrüchen etwa der Strauss-Lieder - jedes Wort. Christiane Karg war Schülerin von Wolfgang Holzmair.
Von wegen glaskklar: „O wär dein Haus durchsichtig wie Glas“ heißt ein Lied von Richard Strauss auf einen Text von Paul Heyse: Gerold Huber ließ in diesem selten zu hörenden Lied die feinen Verzierungen im Klavier strahlen und flirren, dass aus der akustischen Wahrnehmung beinah auch eine optische wurde. Brillant! Im Hugo Wolf-Lied „Bedeckt mich mit Blumen“ machte Gerold Huber aus der kleinen Klaviermelodie, die über bzw. unter der Singstimme schwebt eine Perlenschnur aus Klängen.
Darauf kann es nur eine kalte Dusche geben. „Ich bin verliebt, doch eben nicht in Dich“. Mit spitzer Zunge weiß Christiane Karg etwa auch zu bemäkeln, dass es am Tisch des Liebsten nicht gerade standesgemäß zugeht. Immer wieder fügen sich die Lieder zu kleinen Geschichten innerhalb der großen „Geschichte der Liebe“: etwa die Huog Wolf-Lieder „Nein, junger Herr“, „Wer rief dich denn“ und „Wir haben beide lange Zeit geschwiegen“, die von Vorwürfen und Zank und Streit und (im Himmel geschlossenen) Waffenstillstand erzählen. Schluss jetzt mit dem Liebesgeheule: „Schweig einmal still und lege dich aufs Ohr! Das Ständchen eines Esels zög ich vor.“