Klangmobil und Klangfest
35 JAHRE OENM / HINTERGRUND I
Es prägt den Jahrlauf zeitgenössischer Musik: Bei den Festspielen 2011 spielt das Stadler Quartett, der Kern des OENM, das Abschlusskonzert auf dem „Fünften Kontinent“ von Markus Hinterhäuser. Bei der „Salzburg Biennale“ im März 2011 ist das OENM das „Orchestra in Residence“. Bei den „Dialogen“ der Stiftung von 2. bis 5. Dezember spielt das Österreichische Ensemble für Neue Musik in drei von vier Konzerten. Doch zuvor - am Samstag (27.11.) - feiert das OENM im „Spiegelzelt“ im Volksgarten sein 35 jähriges Bestehen mit einem „Klangfest“. - Gottfried Franz Kasparek hat die Geschichte des OENM recherchiert.
Pioniertaten für die Neue Musik: 1975 - 1997
Von Gottfried Franz Kasparek
25/11/10 Die Geburtsstunde des „Österreichischen Ensembles für Neue Musik“, damals „ÖENM“ abgekürzt, schlug am 14. Juni 1975 im Publikumsstudio des ORF Salzburg. Unter der Leitung des Ensemblegründers Klaus Ager spielten der Klarinettist und Mitbegründer Ferenc Tornai, der Gitarrist Wolfgang Guttmann, Genro Hara auf der Posaune, Laura Spitzer Klavier und Hermann Urabl Schlagzeug. Dazu kam die Sopranistin Marianne Rainer. Das Programm zeichnete das Repertoire des Ensembles bis heute vor. Zu zwei Werken Agers („Silences VII“ und „Le combat avec l’ange“) kamen ein Klassiker der Moderne (Anton Weberns Drei Lieder für Gitarre, Es-Klarinette und Sopran) sowie zwei weitere Zeitgenossen: Vinko Globokar („Correspondances“) und Luciano Berio („Rounds“ und die Sequenza für Posaune). Ein anspruchsvolles Konzert am Puls der Zeit. Während es um Globokar ein wenig still geworden ist, zählt der 2003 verstorbene Berio mittlerweile zu den „Klassikern“ und Klaus Ager ist nicht nur als Präsident des Österreichischen Komponistenbundes, sondern auch als Komponist und Dirigent weiterhin unermüdlich für das Anliegen der Neuen Musik tätig.
In der Festschrift zum zehnjährigen Bestehen des ÖENM von 1985 schrieb Klaus Ager: „Ferenc Tornai und ich fassten im Herbst 1974 den Plan, ein auf neue Musik spezialisiertes Ensemble zu gründen. Der hauptsächliche Grund dafür war die desolate Situation der Neuen Musik zu dieser Zeit in Salzburg.“ Die einmal klein und einmal groß geschriebenen Neue Musik, vielleicht bloß ein Druckfehler, darf gleichwohl als Chiffre für die Bandbreite des Repertoires gelten, finden sich in der Liste der aufgeführten Werke zwischen 1975 und 1985 doch Cesar Bresgen neben Pierre Boulez, Alfred Schnittke und Kurt Schwertsik, Jenö Takacs und Karlheinz Stockhausen, die Schönberg-Schule und Olivier Messiaen. Die aufgeführten Salzburger Komponisten bildeten jahrzehntelang und bis in die Gegenwart einen wichtigen Bereich des Repertoires - von Anfang an gelangten viele Stücke zur Uraufführung.
Die Broschüre zum 10jährigen Jubiläum 1985 nennt in Auswahl bereits folgende Namen: Klaus Ager, Cesar Bresgen, Robert Crow, Helmut Eder, Heimo Erbse, Herbert Grassl, Josef Maria Horvath, Johannes Kotschy, Andor Losonczy, Rolf Maedel, Alexander Müllenbach, Wolfgang Niessner, Wolfgang Pillinger, Peter Revers, Franz Richter-Herf, Boguslaw Schaeffer, Hartmut Schmidt, Gerhard E. Winkler. Bis zur Gegenwart hat das Ensemble nicht weniger als 300 Stücke uraufgeführt.
Einen wichtigen Stellenwert nahmen auch die völlig neuartigen Kompositionsworkshops mit Boguslaw Schaeffer ein, der sieben Jahre lang im September mit jungen Komponisten aus aller Welt arbeitete, die während der Workshops Werke schrieben, welche am Ende vom Ensemble uraufgeführt wurden. Von 1977 bis 1985 fanden etwa 150 Konzerte des ÖENM in fast allen Ländern Europas statt, besonders in Skandinavien und Frankreich, später kamen Korea und Ägypten dazu.
Die rege Gastspieltätigkeit setzte sich auch fort, nachdem Klaus Ager die Leitung des Ensembles 1988 abgegeben hatte. Von 1988 bis 1997 stand der Komponist und Dirigent Herbert Grassl dem ÖENM vor und setzte die kontinuierliche Arbeit in Salzburg und die Tourneetätigkeit erfolgreich und mit Charisma fort. 1991 entwickelte Herbert Grassl zusammen mit dem Salzburger Bildenden Künstler Otto Beck die Klangmobile. Mit diesen bespielbaren, pedalangetriebenen Dreirädern wurde im Rahmen der Aspekte 1991 John Cage vom Flughafen Salzburg eskortiert. Anschließend gab es Stadtbespielungen u.a. in Salzburg, Dresden, Maastricht, Arnheim, Bozen, Wien, Villach, in Seoul im Rahmen der IGNM Weltmusiktage und zuletzt 1999 in Bregenz. Eine Anzahl von Kompositionen wurde für offene Räume konzipiert, auch das Projekt Salzacharche von Otto Beck. Das ÖENM spielte in diesen Jahren regelmäßig bei den Aspekten und in der „Nacht der Komponisten“, als eine neue Spielstätte hatte sich das Künstlerhaus bewährt. Eine ebenso kleine wie treue Fangemeinde, zu der sich ab 1988 auch der Schreiber dieser Zeilen zählen durfte, bildete das Publikum in Salzburg. (Wird fortgesetzt)