Der Landsknecht als Freier
BACHGESELLSCHAFT / AMARCORD
19/11/10 Endlich auch in Salzburg: Das Leipziger Spitzen-Vokalensemble „Amarcord“ besang in Salzburg die „Rastlose Liebe“ mit Stücken von der Renaissance bis in die Romantik.
Von Reinhard Kriechbaum
Es ist manchmal eben doch anders, als es die Schulbuch-Weisheit verkündet. So mancher Gassenhauer aus der Renaissance hat im Original gepfeffertere Texte, als sie sich in heutzutage populären Chormusiksammlungen finden. Im „Landsknechtsständchen“ von Orlando die Lasso etwa flunkert der Soldat nicht lang herum und äußert seine Erwartungen an die Dame sehr direkt, auch wenn zwischendurch das „Diri-diri-don“ ein charmantes Tändeln vorgibt. Solche Töne bringen die Herren von „Amarcord“ heraus, da bekommt man auch als heutiger Hörer einen lebhaften Eindruck davon, dass Frauen nicht gut dran waren, wenn Söldner durch fremde Lande zogen.
Endlich das Debüt von „Amarcord“ in Salzburg, am Donnerstag (18.11.) in der nicht ganz vollen Großen Aula. Ist es wirklich so, dass es die King’s Singers sein müssen, damit die Reihen voll werden? „Amarcord“ zu engagieren ist jedenfalls kein künstlerisches Wagnis. Das von ehemaligen Leipziger Thomanern vor achtzehn Jahren Ensemble gehört längst zu obersten Liga dieses Genres. Die Herren setzen wie man an dem Abend hörte Maßstäbe sogar dann, wenn ihnen ein Krankheitsfall einen Streich spielt und sie der „Rastlosen Liebe“ zu viert anstatt zu fünft hinterher hecheln.
Nach einer Gassenhauer-Revue der Renaissance (es waren wirklich alle Knüller beisammen) eine instruktive Werkschau der Romantik: So gut und harmonisch interessant Schuberts Männerchöre sind – es singt sie eigentlich keiner mehr. Und so gut wie „Amarcord“ schon gar nicht. Die Stücke gewinnen in solistischer Besetzung an Prägnanz. Schumann, Mendelssohn, Marschner – auch das ist Literatur, die irgendwie aus der Zeit gefallen ist, die genauer zu kennen sich aber lohnte. An dem Abend hat sie so selbstverständlich geklungen, als sei es die einfachste Sache der Welt. In Wahrheit sind diese Stücke intonationsmäßig extrem knifflig.
Und noch ein Repertoire-Ausflug. Dass der Salzburger Haydn den Typus Männerquertett „erfunden“ hat, steht in jeder besseren Musikgeschichte. Selten genug werden seine Kompositionen gesungen. „Schlüpfrig wie Aal ist ihr Leib“ lautet der Refrain eines „Tischlieds“, in dem in prallen Bildern erklärt wird, dass schon einiges dazugehört, die Herzdame auch zu halten. Übrigens: „Der Mond ist aufgegangen“ hat auch Michael Haydn schon vertont. Die Melodie ist eine ganz andere als jene in der Version des Herrn Schultz, die zum Volkslied geworden ist.
Standing Ovations für „Amarcord“ am Ende und als Zugabe ein Ständchen von Eduard Marschner, einem Bruder von Heinrich Marschner (den auch keiner mehr aufführt). Es geht immer noch ein bisserl abseitiger …