Teuflisches Vergnügen
STUMMFILM „FAUST“ / GROSSER SAAL
11/10/10 Orgel wird mit Händen und Füßen gespielt. Wenn die Konzertorgel zur Kino-Orgel wird und Höllenritt und Teufelspakt untermalt, scheinen mehr als insgesamt vier Gliedmaßen tätig zu sein. Dazu erklangen bei der Stummfilm-Matnee „Faust“ zwei Instrumente, die „berührungsfrei“ gespielt werden.
Von Heidemarie Klabacher
„Das sind die Zauberstäbe. Sehen Sie, sie blinken sogar“, sagte Mark Goldstein. Mit der kombinierten Eleganz eines Magiers und Tänzers bewegt er die beiden Stäbe: große Gesten ergeben große Klänge, präzise kleine Bewegungen ein unheimliches Pochen. Es sind nur Infrarot-Impulse und ein Synthesizer - die Performance ist dennoch beeindruckend. Ein ganz modernes „Geisterinstrument“ also.
Der amerikanischen Stummfilmorganist Dennis James, der schon bei der Einweihung der neuen Orgel im Großen Saal zu Gast war, hat diesmal auch ein Theremin mitgebracht: Dieses Instrument wurde bereits 1919 vom russischen Physiker Lev Sergejewitsch Termen erfunden: Hier zählt der Abstand der beiden Hände von zwei Antennen, durch die Bewegung der einen Hand wird die Tonhöhe, durch die der anderen die Lautstärke verändert. Auch hier kommen psychedelische Spährenklänge heraus.
Ideal also zur zusätzlichen Untermalung der Geschichte von Faust, in der es an Engels- und Teufels-Erscheinungen nicht mangelt. Die Stummfilmfassung von Friedrich Wilhelm Murnau aus 1926 geht sehr frei mit dem Fauststoff. Die zentralen Elemente sind vorhanden (Teufelspakt, Verjüngung Fausts, Gretchentragödie…), werden aber mit verschiedensten neuen Episoden zu einem frei dahin phantasierenden Reigen verflochten (Gretchen und Faust sterben gemeinsam auf dem Scheiterhaufen und werden erlöst - nicht durch die Gnade, sondern die Liebe…)
Die Trickfilmelemente, die Murnau in der Frühzeit des Films eingesetzt hat, beeindrucken und begeistern im Zeitalter der Computeranimation ganz besonders: Da lösen sich Menschen und Geister auf. Da fliegen die Apokalyptischen Reiter auf ihren Pferden durch Lüfte und Wolken, Faust und Mephisto gleiten auf dem Teufelsmantel hoch über dem Erdboden und sehen Paläste, Berge und Meeresklippen. Da gibt es aufregenden Feuerzauber….
Zu alledem spielt also die Orgel Musik von Bach bis Gounod (Motive aus „Margarethe“ und „Faust“): auskomponierte Musik, mit geringem Freiraum zur Improvisation, wie Dennis James erklärte. Mit größtem Witz zitiert er sich durch die Musikgeschichte. Die Sounds von Theremin und Synthesizer verstärken und verfremden die Bilder von den geheimnisvollen Vorgängen. Ein geradezu „teuflisches Vergnügen“ am Sonntagvormittag.