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Frisch von der Leber weg

CAMERATA / KONZERTMEISTER-KONZERT

30/10/21 Eine nicht unlustige Idee: Für ein Konzert gleich zwei Konzertmeister ins Rennen zu schicken. Wer hat, der hat! Die Camerata Salzburg hat eben derer zwei, und beide sind Vollblut-Musiker: Gregory Ahss und Giovanni Guzzo.

Von Reinhard Kriechbaum

Ein Konzertmeister, das ist der Allererste unter den ersten Geigern, der so exponiert da sitzt, aber viel zu selten für seine wichtige Funktion Lob kriegt. Viel täte ja schief gehen, wenn es ihn nicht gäbe, weil die Streicher sind meist besser beraten, auf ihn und seine entschiedenen Bogenstriche zu schauen, als aufs Staberl des Dirigenten. Das ist öfter der Fall, als Laien glauben. Fein und wohl verdient also, dass diesmal, im zweiten Saisonkonzert am 29. und 31. Oktober in der Großen Aula, gleich beide Konzertmeister so richtig in die Auslage gestellt wurden. Als unverzichtbare Leiter des Streichercorps und als Solisten.

Ein recht originelles Programm hat man sich zu dem Anlass auch ausgedacht. Die Zwei Stücke für Streichquartett von Dmitri Schostakowitsch kommen im Konzertalltag so gut wie nie vor, und noch viel mehr Raritäten-Wert hat das Doppelquartett Nr. 1 d-Moll op.65 von Louis Spohr. Letzterer war Dank langen Lebens Zeitgenosse von Beethoven und Schubert ebenso wie von Mendelssohn und Schumann. Er hat unendlich viel komponiert, wovon im heutigen Bewusstsein bloß das eine oder andere Violinkonzert hängen geblieben ist. Das Doppelquartett – es gäbe drei weitere

Fundstücke in dieser Werkgruppe – spiegelt ausgiebig, was uns entgeht.Oder auch nicht. Ein eigenartiges Stück, das irgendwie anhebt, als ob der musikalische Sturm und Drang damals (1823) nicht schon ein halbes Jahrhundert lang verweht gewesen wäre. Starke, wirkkräftige rhetorische Floskeln purzeln durcheinander. Die Gedanken scheinen einander immer wieder ins Wort zu fallen. Eine gewisse romantische Hitzköpfigkeit bestimmt das Geschehen, der gute alte Kapellmeister Kreisler des E.T.A.Hoffmann scheint umzugehen.

Das nun nicht zu acht zu spielen, sondern in Kammerorchesterbesetzung, ist fordernd. Auch wenn zwei Konzertmeister jeweils in ihrer Umgebung und Giovanni Guzzo mit vollem Einsatz im Ganzen für einigermaßen Ordnung sorgen. Spannend jedenfalls zuzuhören, wie da hoch emotionale Musik wie bio-gedüngt ins Kraut schießt.

So zwiespältig der Eindruck auch war: Lieber als Bachs d-Moll-Konzert BWV 1043 und noch viel, viel lieber als das nicht weniger bekannte Konzert a-Moll RV 552 von Vivaldi hätte man von den beiden Konzertmeistern weiteren Spohr gehört. Hätten sie wohl auch zusammen gebracht, wäre vielleicht beiden auch stilistisch besser gelegen. So gibt’s zu berichten: fingerfertig ausgelebtes Musikantentum, locker vom Hocker, temperamentvoll, nicht un-laut, aber stilistisch schon im Detail unlauter.

Der Schostakowitsch-Beginn „gehörte“ Gregory Ahss. Auch sind das im Original Streichquartett-Stücke, die in größerer Besetzung an Überrumpelungsfähigkeit gewinnen. Aber bestimmt nicht an emotionaler Aussagekraft. Freuen wir uns trotzdem, dass an diesem Abend so recht lebefrisch drauflos gespielt worden ist.

www.camerata.at
Bilder: Camerata Salzburg / Neda Navaee (1), Pia Clodi (1)

 

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