Böhmische Freuden
MOZARTEUMORCHESTER / TOMAS NETOPIL
21/05/21 Das erste Donnerstagskonzert im Jahr und das am 20. Mai! Die Welt ist aber nur scheinbar aus den Fugen, wenn schon nach wenigen Takten sich pure Freude einstellt: Tomáš Netopil, ein mitreißend führender und gestaltender Dirigent aus bester tschechischer Kapellmeister-Tradtion und das Mozarteumorchester brillierten mit Josef Suk und Mozart.
Von Heidemarie Klabacher
Das Mozarteumorchester sei im Lockdown fleißig gewesen, habe Woche für Woche geprobt, habe CDs aufgenommen, Workshops gemacht oder Streams eingespielt, sagte Orchesterdirektor Siegwald Bütow in einer kurzen Begrüßung, wirklich gefehlt habe das Publikum. Was einem als „Publikum“ gefehlt hat, wurde mit den ersten Takten von Josef Suks Serenade für Streichorchester Es-Dur op. 6 schlagartig klar. Genau so etwas, wie die delikat im Streicherpiano aufsteigende Linie im Andante, die kleinen, farbkräftig wie emailliert daherkommenden Crescendi, eigentlich mehr Akzente, im Allegro. Oder das Adagio, dessen Thema zuerst den Celli und dann den Geigen gehört, perfekte Untermalung eines Spazierganges von Libussa und Přemysl im Mondenschein (aber lange bevor den Frauen die Herrschaft genommen wurde). Das Allegro hat Tempo und Power, kreiselt wohl etwas erfindungsarm in sich, aber Tomáš Netopil weiß bis zum letzten schwungvollen Kehraus Spannung zu halten und zu steigern. Ein perfektes Alles wird wieder-gut-Stück, ein charmanter Wiedereinstieg ins Musikhören.
Tomáš Netopil ist Generalmusikdirektor der Essener Philharmoniker, erster Gastdirigent der Tschechischen Philharmonie und seiner Heimat mit Festivals oder einer Sommermusikakademie im mährischen Kroměříž nach wie vor eng verbunden. Mozarts Jupiter Symphonie C-Dur KV 551 in der tschechisch-salzburgischen Lesart betörte im ersten Satz mit einer Gegenüberstellung der beiden Motive, die mit jeder Wiederkehr immer noch eine Spur delikater, respektive knackiger gestaltet wurden. Lautstärke war ein – übrigens im ganzen Konzert – besonders wohldosiert eingesetztes Gestaltungsmittel.
Locker flockig die Holzbläser, bei Bedarf gefährlich schneidend die Geigen. Die ebenfalls wohldosierten (!) Paukenschläge hoben wohl die Zuhörer von den Stühlen, aber kein Forte oder Fortissimo wurde schrill oder überschlug sich in der gar nicht immer harmlosen Akustik der Großen Aula (in der Schwarzstraße, wo die Donnerstagskonzerte beheimatet sind, wird ja umgebaut). Das Andante – ein Changieren zwischen weltlicher Grazie und überirdischer Anmut, angesiedelt irgendwo dort, wo die seligen Geister wandeln. Dramatisch aber nicht quälend die drängenden Passagen dazwischen. Mehr ein gemächliches Mahlen und Eiern, denn ein heftiges Stampfen das Menuett, fast ein wenig ironisch. Auch hier ließen delikat und virtuos gesetzte Akzente aufhorchen. Und wie unprätentiös man einen Satz beenden kann. Der Finalsatz Molto Allegro, kontrollierte Ruhe auch im raschesten Tempo, kein Hasten sondern singende flirrende Energie.
Apropos singen. Zur Zugabe trat, zur Überraschung aller, mit dem Dirigenten Tomáš Netopil der Bariton Rafael Fingerlos auf und sang Schuberts An die Musik. Passend wie nichts: Du holde Kunst, in wie viel grauen Stunden... Auf den Pulten eine opulente Orchesterfassung mit besonders schönen Klarinettenlinien. Welch schöne Idee. Der Dank gehe aber nicht nur an die Kunst selber, sondern mehr noch an die Kunstschaffenden, die sich von grauen Stunden nicht haben runterziehen lassen!
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Bilder: dpk-klaba