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Da Bua lebt scho no

PHILHARMONIE SALZBURG / PING PONG

20/05/21 Nicht nur Sport und Musik sind wieder offen. Offen ist auch Musik als Sport respektive Sport als Musik. Elastisch verknüpft Elisabeth Fuchs Haydn und Beethoven mit einem Ping-Pong-Match. Es war ein Vergnügen - das „erste“ post-Lockdwon Konzert der Philharmonie Salzburg im Kongresshaus.

Von Erhard Petzel

Im ersten öffentlichen Konzert nach einer gefühlten Ewigkeit zeigt man besonders gerne Agilität als Konzept gegen böse Viren. So bleibt bis auf die Sitzgebundenen alles stehen, um Haydns Symphonie Nr. 82 C-Dur darzubieten. Vielleicht auch um klarzustellen, dass Der Bär los ist, ein Kosename für dieses Pariser Feuerwerk. Schneidig trumpft das Hauptthema im ersten Satz auf, nicht ohne ironisch kurz im Walzertakt zu schunkeln. Eine Unmenge kompositorischer Schachzüge mit großer dynamischer Spannweite fordert vergnügliche Aufmerksamkeit, das fröhliche Seitenthema agiert agogisch im wandlungslustigen Raum.

Neckisch geht es im zweiten Satz weiter, wendet sich melodramatisch nach Moll, lässt die Bässe einmal Läufe sägen, dann im Bordun brummen, während das Menuett behäbiges Barock atmet in seiner feudalen Pracht, die durch das Holz etwas auf die leichte Schulter genommen werden darf, namentlich im Trio. Der vierte Satz springt dich als Bauerntanz mit Vorhalt-Bordun an, der sich in allen Registern einmal breitmachen darf, ohne ein halsbrecherisches Fugato zu verhindern, bis ein Paukenhauer den Schluss einrummelt.

Das ist ein würdiger Knalleffekt zur Eröffnung der Saison, bei dem sich Orchester und Dirigentin nach Herzenslust austoben können. Während bei Haydn die dynamische und agogische Farbpallette in ihrer Breite und Vielfalt voll zur Geltung kommen, vermisst man für Beethovens Fünfte einen sinfonischen Konzertsaal etwas schmerzlich.

Der Europasaal des Kongresshauses ist in seiner Akustik doch recht hart, wenn ein Werk mit dieser ausgesetzten Dynamik und seinen Herausforderungen an die Register im komplexen Ensemblespiel farblich voll klingen soll. Die fragilen Individualismen können sich nicht gemütlich in die Raumresonanz betten, orgiastische Registerkaskaden und Tutti-Eruptionen kommen bald einmal ins Schreien.

Dafür passt Andy Akihos Concerto Ricochet - Ping-Pong-Konzert perfekt ins Geschehen: eine wegen Corona inzwischen mehrfach verschobene Österreichische Erstaufführung. Tischtennis wird hier nicht als musikalisches Prinzip zitiert, sondern ist realer Klangakteur. Leo und Christian Hlawa sind als sportliche Solisten am Tisch allerdings kein Import aus Asien, sondern in Adnet zuhause. Sohn Leo ist Schüler der Sekundarstufe, wie sein Vater also Hobby-Spieler am Tisch, beide mit musikalischem Hintergrund. Kiril Stoyanov ist als Schlagwerk-Solist ihr percussiver Widerpart und struktureller Mentor.

Den Beginn setzt allerdings Lia Tang als Solistin auf der Violine. Ihre crescendierten Doppeltöne auf Basisrhythmen werden zu strukturellen Bausteinen für die weitere Gliederung; zunächst führt sie in Zerlegungen, Läufe und Pizzicati, bevor ein knallharter Tutti-Einsatz den Weg freimacht für Polyrhythmik zwischen Stoyanov (auf Tisch, Flaschen, diversem Zeug und Schlagwerk) und Orchester.

In diese auskomponierten Strukturen kommen dann die Ping-Pong-Spieler als nicht ganz chaotisches Element, da sie recht genau ins Geschehen eingebunden sind. Dafür variiert ihr Einsatz, indem sie Cassa, Gongs, Deckel, sich selbst und das Publikum beschießen. Leo wirkt dann beim Schlussapplaus auch sichtlich angeschossen (Ka Angst, Richter werd’n ma kann brauch’n, da Bua lebt scho no).

Mehrere Abschnitte bringen aber nicht nur an Zufallsstrukturen von Maschinenmusik gemahnenden Hardcore. Cansu Sezals innige Harfen-Soli mischen sich mit Geige und Glasflaschen. Und natürlich Klamauk. Schlussakkord bildet das hüpfende Chaos der aus ihren Boxen geleerten Tischtennisbälle. Alles natürlich nicht wahnsinnig neu, aber lustig, frisch und spannende Musik, die allen was zu bieten hat. Ein frecher Knabe heischt nach verirrten Bällen, ein Musiker wirft beim Schlussapplaus einen Ball Richtung Box – und trifft hinein. Spaß an der Freude – hier wird’s Ereignis.

Die weitere Saison der Philharmonie Salzburg - www.philharmoniesalzburg.at
Bilder: PfS / Erika Mayer

 

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