Klamme Finger für eine südpolare Musik
BACHCHOR / PLÄNE FÜR 2021
24/02/21 Anstatt dreißig Auftritte nur fünf (und davon zwei im Stream): Das ist die bescheidene Aktivitäts-Bilanz des Salzburger Bachchores für 2020. Unter solchen Prämissen gewinnt das Thema des ersten Termins in der Konzertreihe Chorage leitmotivische Bedeutung: Mut und Aufbruch.
Von Reinhard Kriechbaum
Dieses erste Konzert heuer soll – so Gott, die Bundesregierung und die kugelrunden Viren es wollen – am 27. April in der Großen Aula stattfinden. Konzipieren und leiten wird es der australische Komponist und Chordirigent Gordon Hamilton, der aus diesem Anlass auch ein eigenes Werk zur Uraufführung bringen wird. Es heißt Antarktis und er habe es tatsächlich dort komponiert, auf einem Eisbrecher, erzählt er. Von seiner australischen Heimat aus ist es nicht so furchtbar weit dorthin, aber das macht die Sache nicht wärmer: „Ohne Handschuhe“ habe er das Mikrophon gehalten, um die Geräusche von berstendem Eis und Vögeln aufzunehmen, die neben den Chorstimmen in dieses Stück einfließen. Man kann sich mit Neuer Musik also nicht nur die Finger verbrennen, sondern auch kalte Finger holen...
Mut und Aufbruch wird dieser erste von drei Chorage-Terminen heißen. Das sind Eigenveranstaltungen des Bachchors. Es ist dann noch das Wandelkonzert Just Keep Walking im Museum der Moderne vorgesehen und (im Herbst) ein Konzert unter dem Motto From Harmony to Harmony in der Kollegienkirche, für das Howard Arman ans Pult jenes Chors zurückkehrt, den er einst gegründet hat. Einen künstlerischen Leiter gibt es ja nach der unsanften Trennung von Alois Glaßner nicht. „Wir wollen mit unterschiedlichen Leuten zusammenarbeiten“, sagte Johannes Feigl, der Vorstand des Bachchors, heute Dienstag (24.2.) in einem Online-Pressegespräch.
Könnte Gordon Hamilton gar neuer Leiter des Bachchors werden? Da gab's keine eindeutige Antwort. „Ich bin in Deutschland gefangen und kann nicht nach Australien zurück“, sagte der junge Chordirigent. Er sei in einer „komischen Situation“: „Ich wohne jetzt in Deutschland, obwohl ich nur wenige Monate aus meiner Hreimat weg wollte.“ Was für ihn die Zukunft bringe, sei ungewiss, er sei „für alles offen“.
Standbein des Bachchores Salzburg sind Einladungen anderer Veranstalter. Bei den Osterfestspielen hätte man in Puccinis Turandot mitgewirkt, aber die Opernproduktion kann ja heuer nicht sein. Immerhin aber das Mozart-Requiem unter Christian Thielemann. Bei den Pfingstfestspielen ist der Bachchor für Mozarts Titus engagiert, zur Ouvertüre spirituelle der Festspiele trägt man im Sommer Pax von Ciacinto Scelsi und Haydns Paukenmesse bei. Auch ein interessanter Termin: Beim Gustav Mahler Festival in Steinbach am Attersee (Schloss Kammer) wird man Mahlers Zweite Symphonie in einer Fassung für zwei Klavier kennen lernen dürfen.
Corona-bedingt eine überlange Chorpause? „Wir haben geprobt“, erklärt der Geschäftsführer des Bachchores, Gregor Faistauer. Manche Termine im Vorjahr wurden ja so kurzfristig abgesagt, dass man schon dafür geprobt hat. Im übrigen habe man gezeigt, „wie es funktionieren kann“. Für eine Aufführung des Deutschen Requiems von Brahms (ein Beitrag zum Linzer Brucknerfest 2020) habe man eigens die Aula einer Schule angemietet, um bei siebzig Sängerinnen und Sängern die nötigen Abstände zu gewährleisten.
Derzeit sei die Raumsituation „verschärft“, erklärt Gregor Faistauer, denn Schulen dürfen wegen Corona keine Räume mehr vermieten. Das legt die gerade heiß diskutierte Frage nach einem Probenhaus in Salzburg nahe. Im alten Silogebäude der Rauchmühle hätte der Bachchor ja Räumlichkeiten bekommen. Das nun auf den Hannak-Gründen vorgesehene Probenhaus ist keine Option für den Bachchor, wohl aber das geplante neue Mozarteums-Gebäude auf dem Kurhaus-Areal an der Schwarzstraße. Da gebe es Gespräche mit der Universität Mozarteum.
Und die wirtschaftliche Situation? Dank des staatlichen Rettungsschirms sei der Bachchor als Verein „nicht in die Finanzkrise geschlittert“. Freilich: Viele Sänger sind arm dran. Für sie, die sich nun „von Kleinauftrag zu Kleinauftrag schleppen“, wurden 15.000 Euro aus einem eigens eingerichteten Solidaritätsfonds ausbezahlt. Es bleibt für den Bachchor jedenfalls bei drei Eigenveranstaltungen, dem Chorage-Projekt. „Das können wir wirtschaftlich abschätzen und verantworten“, erklärt der Geschäftsführer Gregor Faistauer.