Stabführer in der Politik gefragt
HINTERGRUND / BLASMUSIK
12/05/20 Immer wieder bietet der Salzburger Blasmusikverband unter dem Stichwort „Musik in Bewegung“ Fortbildungen an. Schließlich gehört das Musizieren im Marschieren zu den ureigensten Betätigungsfeldern einer Musikkapelle. Es gibt sogar einen Landes-Stabführer. Der Stab muss seit zwei Monaten in der Ecke lehnen.
Von Reinhard Kriechbaum
Im Moment nimmt in der Kulturszene der Druck von unten gewaltig zu. Er ist, so scheint's, zwar noch bei weitem nicht so stark, dass es die Entscheidungsträger in der Bundesregierung ernsthaft kratzt, aber lang kann es nicht mehr dauern. Ob ihrer Größenordnung wären die Blasmusikverbände und ihr Dachverband genau die Stellen, wo das Sicherheitsventil demnächst die kritische Marke anzeigen könnte. Die Wünsche aus der Blasmusikszene könnten, weil quasi nah am gemeinen Volk, mehr Nachdruck haben, als wenn Landestheater-Intendanten, Schauspieler oder Kabarettisten zum Lamento anheben. Bei der Blasmusik geht es in ganz Österreich immrehin um exakt 2.163 Musikvereine und über 150.000 Musikerinnen und Musiker. Das wäre schon eine ernst zu nehmende Lobby, wenn sie sich vor dem Bundeskanzleramt aufbläst.
Ein paar Zahlen aus Salzburg: Es gibt im Bundesland 147 Musikkapellen (also mehr als Gemeinden) mit knapp 8.000 Musizierenden. Von ihnen ist mehr als die Hälfte unter dreißig Jahre alt. Allein beim Musikum stehen über 2.700 aktive und rund 1.650 (noch) nicht aktive Musikerinnen und Musiker aus dem Blasmusik-Umfeld in Ausbildung. Die Stunden, die in diesen Zweig der Musik fließen, sind gar nicht so leicht abzuschätzen. 2018 gab es 6.082 öffentliche Termine. „Ausrückungen“ heißt das bei der Blasmusik. 1.672 mal ließen sich Ensembles aus den Reihen der Musikkapellen hören, 196 Termine gestalteten Jugendorchester. 618 mal rückte man für öffentliche Anlässe aus, 569 mal im Auftrag von Tourismusverbänden, 1.074 mal zu kirchlichen Anlässen und 1.119 mal zu Begräbnissen. Die Chronik des Salzburger Blasmusikverbands listet für 2018 nicht weniger als 8.266 Proben auf, davon 1.782 mit Ensembles und 968 mit Jugendorchestern.
Die Jugendarbeit ist vor allem auch im Sommer ein Thema. Darauf wies der Österreichische Blasmusikverband dieser Tage in einer Presseaussendung hin. Man veranstaltet ja viele Sommercamps. „Für deren Eltern sind diese Camps wichtige Wochen, in denen sie ihren Nachwuchs gut aufgehoben und betreut wissen.“
Der Salzburger Blasmusikverband hat diesbezüglich noch nichts endgültig abgesagt: Vorgesehen wären beispielsweise in den Juli-Wochen nach Schulschluss drei Jungmusikerseminare für Zehn- bis Sechzehnjährige in der HBLA Ursprung in Elixhausen. Ein besonderes Erlebnis in großer Gruppe böte, so's denn sein darf, das Orchestercamp in Fusch an der Glocknerstraße von 6. bis 10. September.
Derzeit jedenfalls hat man in Österreich die Blasmusik komplett auf Nulldiät gesetzt. Während man ab Freitag in Wirtshäusern einfach gemeinsam bei Tisch sitzen kann – ohne Mundschutz wohlgemerkt – ist man offiziellerseits bei der Musik immer noch auf dem Stadium des Babyelefanten-Abstands, des Mundschutzes und der Menschenansammlungs-Grenze von zehn Personen. In Bayern sperren derweil die Biergärten auf...
A propos Bier: Nicht nur, weil Tubablasen Durst auf Bier macht, immer wieder neue Instrumente angeschafft und Gewänder ergänzt werden müssen, sind die Musikkapellen ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor: Sie gaben in Salzburg 2018 (das sind die letzten offiziellen Zahlen) mehr als 5,2 Millionen Euro aus und haben davon rund 3,6 Millionen Euro selber erwirtschaftet. Das sind immerhin fast siebzig Prozent. Ein Jahresumsatz von fast 670 Euro pro aktivem Laienmusiker. Aber stimmt schon: Gegen die Steuerleistung von Baumärkten und Einkaufszentren oder der Gastronomie sind das immer noch Peanuts.