Alte kontra neue Welt
KULTURVEREINIGUNG / ZAGREB PHILHARMONIC & PHILHARMONIE SALZBURG
02/01/20 Drei Konzerte am Neujahrstag zu stemmen, wird offenbar selbst für die Kulturvereinigung zum Problem. 2021 wird es keine Matinee mehr geben. Heuer jedoch gastierte – zum vierten Mal zu diesem Anlass – das Zagreb Philharmonic Orchestra; dann gaben sie das Podium im Großen Festspielhaus für einen lokalen Doppelpack frei.
Von Horst Reischenböck
Am Vormittag also wurden „Sträuße“ ausgefochten, innerhalb der Strauß-Dynastie und auch mit dem Namensvetter Richard Strauss. Der Salzburger David Danzmayr, nunmehr Ehrendirigent des Zagreb Philharmonic Orchestra firmierenden Klangkörpers, fand ausreichend Gelegenheit für Walzertempi, schon von Beginn an immer wieder in der eher selten programmierten Waldmeister-Ouvertüre, in die sich Danzmayr vehement hineinkniete. Reizvoll in diesem Programmteil war auch der Vergleich zwischen beiden Pizzicato-Polkas, jener der im Teamwork der Brüder Johann und Josef entstandenen und der „Neuen“ op. 449.
Das Hauptaugenmerk am Vormittag dieses 1. Jänners galt allerdings Richard Strauss‘ spätem Konzert für Oboe und kleinem Orchester in D-Dur. Entstanden nach Ende des Zweiten Weltkriegs, ist es eigentlich ein tönender Anachronismus voll entrückt entzückender Grazie und zugleich absolut anspruchsvoll, was die Ausführung betrifft. Die Solistin Clara Dent-Bogányi, von ihrer Jugend her Salzburgern keine Unbekannte, beeindruckte mit wie gefordert schier unerschöpflichem Atem vom ersten Einstieg in den Kopfsatz an, bis sie endlich das Seitenthema der Begleitung überlassen durfte. Sie wusste auch kapriziös im Finale zu brillieren.
Clara Dent hat ihrem Instrument auch Primadonnen-Arien zugeeignet. Ähnlich, wie es mutmaßlich der polnisch-US-amerikanische Dirigent Artur Rodzinski mit dem Rosenkavalier tat. Die Orchestersuite ist quer durch den Blumengarten der Oper arrangiert, und da darf auch die Solooboe vokalen Kantilenen nachsinnen. Obwohl die Gäste aus Zagreb diese orchestralen Angebote süffig ausgekostet haben, konnte man den Gedanken snicht verdrängen, dass Komponist sicherlich einiges geändert hätte in dieser Bearbeitung. Und bevor wieder einmal der Radetzky-Marsch zerklatscht wurde, war fürs Auditorium durch die Art, wie Danzmayr liebevoll den Donauwalzer modellierte, die Welt ohnedies wieder im Lot.
Dass musikalischer Einstieg ins Neue Jahr auch anders lustvoll ausfallen kann, bewies Elisabeth Fuchs mit ihrer Philhamonie Salzburg. Zum Einstieg mit Dmitri Schostakowitschs Suite für Varieté-Orchester, von der zumindest der melancholische zweite Walzer längst zum Ohrwurm mutierte. Jede Miniatur wurde spontan beklatscht. Die Suite war allerdings eine Spur zu opulent besetzt, was Akkordeon und Gitarre, obwohl vor dem Orchester postiert, akustisch wenig begünstigte.
Für zusätzlichen Schwung sorgte der 26jährige Pianist Fabio Martino. Nach George Gershwins vom Orchester beschwingt ausgekostet klingendem Baedeker An American in Paris bekrönte er den Abend nicht nur damit, wie er sich in dessen populäre Rhapsody in Blue versenkte. Schon vor der Pause brach Martino ebenso virtuos eine Lanze für die erstmals zu vernehmende Fantasia Brasiliera Nr. 4 seines Landsmanns Francisco Mignone. Gewissermaßen Gegenstück zu dem in unseren Breitengraden wenigstens noch einigermaßen bekannteren Heitor Villa-Lobos. Die Zugaben von „Mozart“ (so hieß er wirklich) Camargo Guarnieri, vor allem aber Alberto Ginasteras atemberaubend aus dem Steinway gehämmerter Danza del gaucho matero heizten die Stimmung im Auditorium bis zum Siedepunkt an.