Schlagfertigkeit zum Quadrat
KULTURVEREINIGUNG / BRUCKNER ORCHESTER / POSCHNER
19/12/19 Salzburgs schnellster Multi-Schlagwerker und jüngster Mozarteums-Professor, Fernseh-Moderator, Zeitungs-Kolumnist... Wie schafft der Mann all das rein physisch? Drei Tage Martin Grubinger im Großen Festspielhaus: Standing Ovations gab es am Mittwoch (18.12.) zum ersten, aber sicher nicht zum letzten Mal.
Von Horst Reischenböck
Das Bruckner Orchester Linz gastiert unter seinem Chefdirigenten Markus Poschner mit großem symphonischen Repertoire und einem Knüller für einen Schlagwerk-Virtuosen bei der Kulturvereinigung.
„Bruckner“ im Namen verpflichtet. Auf dem Programm des ersten der drei Gastspiele im Großen Festspielhaus brachte das Bruckner Orchester aber keine der Symphonien, sondern die Ouvertüre g-Moll WAB 98. Ein Werk, durchaus bereits gewichtig, dazu angetan die Entwicklung des großen romantischen Komponisten, der das Werk selber nie zu Gehör bekam, zu begreifen und nachzuvollziehen: voll Schwung, beeindruckend instrumentiert und vor allem im Seitenthema bereits absolut typisch. Der Uraufführungsdirigent Franz Moißl sprach von „einem exhumierten Bruckner, der nach erfolgter Exhumierung neuerlich beigesetzt wurde und nun der Mumifizierung anheimfällt“. Ein Urteil, das durchaus unbegründet dünkt. Von der Qualität der Ouvertüre künden mittlerweile, angefangen mit einer Einspielung unter Leopold Hager, etliche CD-Aufnahmen.
Nach diesem wirkungsvollen Einstieg konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf Martin Grubinger, der vorerst bei der Aufstellung seines reichhaltigen Instrumentariums rund ums Dirigentenpult selbst mit Hand anlegte. Die einzige Ergänzung der konventionellen Sinfonieorchester-Besetzung stellt die umfangreiche Ausweitung des Schlagwerkapparats dar. Auf dem Programm steht das Sieide betitelte Konzert für Schlagzeug und Orchester des Finnischen Komponisten Kalevi Aho uraufgeführt 2011. Hätte Igor Strawinsky diese Bandbreite gekannt, wäre sein Sacre vermutlich brutaler ausgefallen …
Differnziert erhellt Markus Poschner da vielschichtig instrumentierte Werk, effektvolle Musik indes von der Metrik her einfacher gestrickt an. Dafür reizt das reiche Angebot an Trommeln schon von Anbeginn seine Möglichkeiten lautstark aus. Nicht nur der Solist wird gefordert. Es spielten gleichsam stereophon zu beiden Seiten fünf zusätzlich benötigte Musiker an fünf weiteren großen Trommeln mit. Später fügte noch der Pauker fordernde Partien hinzu.
Grubinger, dem man die nicht gering zu wertende körperliche Anspannung durchaus anhsah, hatte einen seiner legendären körperlich-mentalen Total-Einsätze zu absolvieren. Der Wechsel von spannungsgeladenen Ausbrüchen zu intim verinnerlichten Klängen aus Marimba und Metallophon bot kurzfristig auch nötige Verschnaufpausen an. Diese füllten die Bläsersolisten des Bruckner Orchesters als Kontrast tonschön melodisch auf und aus. Eine spontan-musikantische und lautstark bejubelte Erstaufführung. Nach der Zugabe, einem elektrisierenden Ausschnitt aus dem Marimba-Spiritual des Japaners Miki Minoru für vier Schlagwerker, steigerte sich das Publikum in absolute Frenesie hinein.
Auch nicht ganz immer ganz leise: Richard Strauss‘ nach wie vor wirkungsvolle Selbstbespiegelung Ein Heldenleben op. 40 resp. TrV 190 war als Hauptwerk des Abends programmiert. Ihm trieb Markus Poschner zügig jeglihen allzu sehr beweihräuchernden Duktus aus. Voll im Einsatz, mit dem auch der Taktstock in hohem Bogen ins Orchester flog, war der Dirigent noch ehe das einkomponierte Scharmützel mit den missmutigen Rezensenten auszufechten war. Konzertmeister Lui Chan legte sich virtuos für Gattin Pauline ins Zeug, die letztendlich dem müden Komponisten sanft über die Stirn streift. Beeindruckend und als Ganzes schon lang nicht mehr so kurzweilig, schlüssig zu erleben gewesen!
Morgen Freitag (20.12.) wird das Programm wiederholt, heute Donnerstag (19.12.) steht von Bruckner die vierte Sinfonie, die Romantische, auf dem Programm - www.kulturvereinigung.com
Bilder: KV / SimonPauly (2); ReinhardWinkler (1)