Trauermarsch und Federball
FESTSIVAL WEINBERG 100 / STADLER QUARTETT
09/12/19 Security. Handtaschen-Kontrolle. Polizei. Das ist „heutzutage“ etwa bei den Salzburger Festspielen traurige Notwendigkeit. Der letzte Besuch eines öffentlichen Konzertes in der Salzburger Synagoge liegt bald mehr als zwanzig Jahre zurück – und in der Lasserstraße waren schon damals Polizeischutz und Security erforderlich.
Von Heidemarie Klabacher
Wird in dem schlichten Gebetshaus aus 1901 die Musik eines Komponisten aufgeführt, der zweimal vor den Nazi-Schergen fliehen und sich den Rest seines Lebens vom stalinistischen Terror schikkanieren lassen musste, und denkt man auch noch daran, was „heutzutage“ in der Zeitung steht – dann bekommt ein simpler Konzertbesuch eine verstörende Dimension historischer und tagespolitischer Natur zugleich. Eine Dimension, von der aber, wegen des „Opferanteils“, auch wieder abgesehen werden soll, soll dem hervorragenden Komponisten Mieczysłav Weinberg weiterhin Gerechtigkeit widerfahren. Auf dem Programm Festivals zum 100. Geburtstag Weinbergs stand am Freitag (6.12.) in der Salzburger Synagoge ein Kammerkonzert mit zwei Streichquartetten und dem Trio für Flöte Viola und Harfe aus 1979.
Das Streichquartett Nr. 4 Es-Dur op. 20 entstand 1945, „noch vor der Zeit der Anti-Formalismus-Kampagne der Kommunisten“, berichtete Karl Müller, der dem Festival Weinberg 100 eng verbunden ist. Das Stadler Quartett ließ denn auch den ersten Satz Allegro comodo so klang- wie energievoll aufrauschen, den einzelnen Themen aber transparente Durchhörbarkeit angedeihen. Schon hinter der Bezeichnung zum zweiten Satz – Moderato assai – verbrigt sich eine geradezu gespenstisch zerrissene, vom Stadler Quartett so präzise wie wild hingefetzte Musik. Einzig eine in hoher Lage zu spielende Cello-Passage, von einem selbstbewussten Bratschen-Motiv getragen, gewährt Ruhe: Facettenreich gestalten die Mitglieder des Stadler Quartetts solche Kontraste - besonders im monumentalen Largo marciale, das sie geradezu „symphonisch“ aufrauschen lassen und alsbald zurücknehmen in einen verstörenden Trauermarsch. Dieser kreist, formal fast ein wenig wie ein Rondo, formal in sich: Auf immer wieder – harmonisch und rhythmisch – überraschenden Wegen entwickelt dieser Satz eine überwältigende Sogwirkung. Überirsch quasi verklingt harmonisch schillernd der Schlussakkord.
Formal sich geschlossen ist das einsätzige Streichquartett Nr. 8 op. 66 aus 1959, dessen Motive, etwa ein langsamer Marsch oder tänzerische Momente, immer wieder von Klezmer-Sound geprägt zu sein scheinen.
In Besetzung und Form bewusst angelehnt an das Vorgängerwerk von Claude Debussy hat Mieczysłav Weinberg sein Trio für Flöte, Viola und Harfe op. 127 aus dem Jahr 1979. Vera Klug (Flöte), Sarah Maria Dragovic (Viola), Ingeborg Weber (Harfe) spielten das Werk federnd, klar, eminent musikantisch. Teils durchaus virtuose Motive wurden federleicht gehandhabt wie Jonglierbälle. Den lyrischen Passagen öffneten die Musikerinnen weite Räume zur Entfaltung. Sie spielten das Stück nicht nur als eines der zweihundert Trios, die seit 1915 und Debussy für diese Besetzung geschrieben wurden, sondern ließen die Meisterschaft Weinbergs deutlich werden: Auch dieses Werk Weinbergs sollte ab sofort nicht mehr wegzudenken sein aus dem Repertoire.