Advent im Reiser'schen Volkston
STICH-WORT
06/12/19 Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde als ein Kennzeichen für Volksmusik ins Treffen geführt, dass man die Urheber der jeweiligen Texte und Melodien nicht kenne. Das hat so natürlich nie gestimmt. Zum Beispiel ist vieles von dem, was Tobi Reiser und sein Sohn Tobias quasi „im Volkston“ für ihr Adventsingen erdacht haben, längst Allgemeingut geworden.
Von Reinhard Kriechbaum
29 Lieder der beiden sind in der Neuauflage Vorweihnachtliche Lieder von Tobi und Tobias Reiser beisammen. Die Erstauflage war längst vergriffen. „Vater und Sohn Reiser waren wichtige, zentrale Vermittler der Salzburger Volkskultur“, erklärt Sepp Radauer, auf dessen Betreiben hin diese Liedersammlung 2004 zustande gekommen war. „Bei zahlreichen Konzerten und Veranstaltungen haben sie die überlieferten Lieder und Weisen qualitätsvoll in den Mittelpunkt gerückt und auf diese Weise viele Menschen dafür begeistern können.“ Wenn etwas fehlte für die innere Dramaturgie, haben sie selbst zur feder gegriffen und so quasi dem volksmusikalischen Glück auf die Sprünge geholfen. „So sind volksmusikalische Perlen entstanden, die den alpenländischen Volksmusikschatz in wunderbarer Weise bereichern“, sagt Sepp Radauer.
Den beiden Reisers war die Kraft und das Einfühlungsvermögen gegeben war, eigene Lieder von hoher Qualität zu schaffen“, betsätigt auch der germanist und Volksmusiker Karl Müller. „So kommt es, dass aus ihren Liedern Vertrautes spricht, eine kreative Kraft spürbar wird, eine berührende Nähe zum überlieferten Volkslied, so dass man leicht vergisst, dass es sich um ganz junge Lieder handelt.“
Die Lieder waren ursprünglich für verschiedene Szenen des Salzburger Adventsingens und ebenso für verschiedene Interpreten gedacht – für den Sologesang Marias oder des Vogelfängers, für Duette von Maria/Elisabeth bzw. Josef/Maria, für Drei- und Viergesänge ebenso wie für einen Chor. „Das Buch soll auch eine Ahnung von den Originalversionen vermitteln“, heißt es.
In die vorliegende Neuauflage fanden mit Maria voller Gnaden, Wir danken euch von Herzen und O Hirten, lasst euch verkünden drei weitere, bislang eher unbekannte Lieder aus der Feder von Tobi Reiser Eingang, manche Lieder in neuen fassungen etwa von Cesar Bresgen und Wilhelm Keller, aber auch von Klemens Vereno.
Wolfgang Dreier-Andres vom Salzburger Volksliedwerk weiß natürlich um das Reizwort Reiser in zeiten wachen Bewusstseins für die NS-Vergangenheit des Adventsingen- und Heimatwerk-Gründers: „Der Name Tobi Reiser wird heute landläufig nicht mehr in erster Linie mit Volksmusik, sondern mit Nationalsozialismus konnotiert, eine Trennung von Person und Werk (nach 1945) ist in diesem Betrachtungsschema nicht vorgesehen.“ Der Reiser-Preis (für Volksmusik) wird seit 2014 nicht vergeben, und selbst das Tobi Reiser Adventsingen heißt jetzt Salzburger Hirtenadvent. „Dennoch sind die Lieder und Stücke von Tobi und Tobias Reiser fixer Bestandteil der traditionellen Musik und Musikausübung, was durchaus als Qualitätsmerkmal zu sehen ist“, betont Wolfgang Dreier-Andres.