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Der Grashüpfer, das Zicklein und die Gänse

FESTSIVAL WEINBERG 100 / GIDON KREMER

09/12/19 Zwei Weltstars haben haben sich seit Jahren die Wieder-Etablierung des Komponisten Mieczysłav Weinberg auf die Fahnen geheftet. Die Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla trat beim Festival Weinberg 100 inmitten des Salzburger Festspiele und Landestheater Kinderchores auf – fröhlich mitsingend bei drei von sechs Weinberg'schen Kinderliedern op. 139. Zwei von Weinbergs Sonaten für Violine Solo spielte niemand Geringerer als Gidon Kremer.

Von Heidemarie Klabacher 
UND GOTTFRIED FRANZ KASPAREK

„Bilder einer Ausstellung“ könnten, laut Programmbuch, die sieben Sätze der Sonate für Violine solo Nr. 2 op. 95 von Mieczysłav Weinberg genannt werden. Freilich nicht vertonte „Bilder“ im Sinne von Programm-Musik, sondern Bilder im Sinne einer Anregung zum geigerisch virtuosen „Drüber improvisieren“. Genau das schien Gidon Kremer – in aller unprätentiösen Stille der Star- und Sensations-Gast beim Festival Weinberg 100 – getan zu haben: Improvisieren. Da meinte man, ferne Erinnerungen an barocke Festivitäten ebenso herüberklingen zu hören, wie virtuos abgelauschtes und wiedergegebenes Vogelgezwitscher. Zwischen großer Melodie und Tanz auf dem Vulkan ist dieses Solowerk für Violine ein ausgewachsener Mikrokosmos an Gehalt und Tiefe. Wie großartig, ausgerechnet Gidon Kremer, der sich die Wieder-Etablierung Weinbergs schon lange angelegen sein lässt, mit diesem Werk wieder in Salzburg zu hören.

Fast noch eindrücklicher war beim ersten Konzert am Samstag (7.12.) im Wiener Saal Gidon Kremers Wiedergabe von Weinbergs Sonate für Violine solo Nr. 1 op.82, entstanden drei Jahre vor der Nr. 2. Ein lyrisches Andante, ein weit-atemndes Lento, ein hochvirtuoses Presto: Gidon Kremer spielte brillanter mitreißender den eh. Er ließ, bei aller Virtuosität, immer wieder auch den Hintergrund (Weinberg wurde in den Sechzigerjahren längst vom Stalinismus gegängelt und sekkiert) spürbar werden...

Ein Höhepunkt des am Sonntag (8.12.) zuende gegangenen Festivals, nicht allein wegen des Namens des Interpreten, sondern auch in der Begegnung mit einer weiteren Werkgruppe aus dem Weinberg-Oevre. Der junge Salzburger Pianist Philipp Huber leistete dazu ebenfalls einen ausgezeichneten Beitrag mit seiner überzeugenden Wiedergabe der zweisätzigen Klaviersonate Nr. 6 op .73, in der Weinberg sich thematisch auf Dmitri Schostakowitsch bezog. (HK)

Bei zweiten Konzert im Rahmen des Festivals am Samstag (7.12.) ebenfalls im Wiener Saal spielte das Stadler Quarett mit op. 14 und op. 59 zwei weitere Streichquartette Weinbergs, die Nr. 3 d-Moll aus 1944 und die Nr. 7 C-Dur aus 1957. Einen weiteren Aspekt des Schaffens von Mieczysłav Weinberg erhellten der Bariton Wolfgang Holzmair und seine Partnerin am Klavier, die Pianistin Gaiva Bandzinaité.

Das reichhaltige Liedschaffen Weinbergs ist noch wenig bekannt. Übersetzungen der ihnen zugrunde liegenden Lyrik liegen kaum vor. So führte die Pianistin Gaiva Bandzinaité, die mitatmende und mitfühlende Begleiterin Wolfgang Holzmairs, in die Gesänge nach Texten des russischen Romantikers und Puschkin-Zeitgenossen Jewgenij Baratinsky ein: Es geht darin um quälende Träume, das Altern und Naturbilder voll dunkler Schwermut. Weinberg hat die Lyrik des dichtenden Offiziers, der jüdischer Anstammung war, in der Tradition Tschaikowskis, aber mit eigentümlich klassizistischem Ernst vertont. Wolfgang Holzmair gestaltete die Lieder mit Empathie und Intensität. Sein exquisiter Liedbariton ist nach wie vor intakt. Einmal, in seinem op. 32 aus dem Jahr 1946, hat Weinberg sogar einen Schiller-Text in russischer Übertragung verwendet, die elegische Hymne auf Die Sänger der Vorzeit. Holzmair trug den rätselhaft schönen deutschen Text vor und sang dann mit zurückhaltender, aber dennoch ausdrucksstarker Hingabe die wie in Stein gemeißelte Version Weinbergs. Diser hat übrigens nicht nur russische, sondern auch polnische und jiddische Verse vertont, wovon im Rahmen des Festivals Weinberg 100 bereigs am Donnerstag (5.12.) Beispiele zu hören waren, mit  hervorragenden Schülerinnen Wolfgang Holzmairs. (GFK)

Bilder: dpk-klaba

 

 

 

 

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