Mozart und die Leichtigkeit des Seins
STIFTUNG MOZARTEUM / QUATUOR TCHALIK
02/11/18 Das Geschwister-Quartett Tchalik aus Frankreich hat den Mozartwettbewerb 2018 in der Sparte Streichquartett gewonnen und gastierte am 30. Oktober erstmals im Wiener Saal - mit einem ent-spannenden Programm, welches nicht nur die beachtliche Mozart-Kompetenz der jungen Leute zeigte.
Von Gottfried Franz Kasparek
Gabriel und Louise an den Geigen, die Bratscherin Sarah und der Cellist Marc Tchalik sind international bereits flott unterwegs und bestens aufeinander eingespielt. Man denkt ein wenig an die Jugendtage des Hagen Quartetts, so frisch und einfallsreich gestaltet das „Quatuor Tchalik“ zwei Stücke, die innerhalb von Mozarts Kammermusik Wegmarken bedeuten.
Zunächst eines der „preußischen“ Quartette, jenes in B-Dur KV 589, welches von Rainer Lepuschitz im Programmheft nicht zu Unrecht als „sanftes Wesen voll innerer Schönheit“ bezeichnet wird. Dass diese Sanftheit nicht mit Lieblichkeit verwechselt werden darf, sondern für Eleganz und Esprit steht, macht das Ensemble mit fein gezeichneter Pointierung und manch überraschend geschärften Akzenten deutlich. Nach der Pause folgte das d-Moll-Quartett KV 173 des 17jährigen Wolfgang Amadé. Da hatte er Joseph Haydns Kunst der Kontraste schon gut studiert. Besonders der erste Satz mit seiner pulsierenden Dramatik und düsteren Grundstimmung ist echte „Sturm und Drang“-Musik. Fein, wie das Quatuor Tchalik das impulsiv herausarbeitet und auch in den mehr tänzerischen, leichtgewichtigen Mittelsätzen und in der finalen Fuge die richtige Mitte zwischen klassischer Aura und hintersinnigem Spielwitz findet.
Thierry Escaich ist einer jener jüngeren französischen Komponisten, die sich nicht um elitäre avantgardistische Zirkel scheren, sondern eigenwillige Wege innerhalb und rund um die unsterbliche Tonalität beschreiten. Escaich, ein erfolgreicher Organist, hat auch ein Faible für Kammermusik. Schon beim Wettbewerb im Solitär hatten die „Tchaliks“ mit seinem zweiten Streichquartett begeistert, nun folgte, in charmantem Deutsch eingeleitet von der Bratscherin, das erste. Die fünf sensiblen Miniaturen folgen Ettore Scolas filmischer Huldigung des Tanzes, „Le Bal“, aus dem Jahr 1983. Da erklingen ein schräger Walzer, ein geistvoll angedeuteter Tango, ein langsamer Slowfox, eine resche Disco-Phantasie und eine hurtige Zusammenfassung all dieser Paraphrasen. Und bereiten einfach Freude an einer meisterhaft konzipierten Musik, die sich in bester französischer Tradition nie zu ernst nimmt und bei aller Eingängigkeit nie ins Banale abdriftet. Im Oeuvre von Escaich gäbe es Vieles zu entdecken. Wie wär’s mit einem Porträt in einem der folgenden Dialoge-Festivals? Im Großen Saal des Mozarteums würde der grandiose Orgel-Improvisator noch dazu ein famoses Instrument für seine Kunst vorfinden.
Am Ende des Programms stand eine echte Rarität. Reynaldo Hahn, in Venezuela geborener Franzose mit deutschem Vater, kennt man von gefühlvollen Liedern, vielleicht von Operetten der feinsten Sorte oder als Freund von Marcel Proust. Aber wohl kaum als Komponisten süffiger Kammermusik. Sein zweites. Streichquartett war im Jahr 1939 anachronistisch, so sehr geistern Brahms, Fauré und Franck in dieser kunstvoll gestrickten Partitur voll wogender Melodik und edel parfümiertem Sentiment herum. Heute ist es einfach ein Vergnügen und bietet niveauvolle Entspannung – und das darf auch sein. Zumal wenn sich ein Ensemble wie das Quatuor Tchalik mit spürbarer Liebe und betörender Klangschönheit dafür einsetzt. Viel Applaus, eine nette kleine Mozart-Zugabe – und auf baldiges Wiedersehen!
Bild: www.quatuortchalik.com