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Vom Sexappeal des Cellos

KAMMERMUSIK IM GROSSEN SAAL / ARTEMIS QUARTETT

03/10/18 Für die Abschiedstournee vor dem Neustart in neuer Besetzung wählte das Artemis-Quartett ein Best-of-Streichquartett-Programm mit Brahms, Bartok, Mozart. Der Cellist Eckart Runge und die Geigerin Anthea Kreston verlassen das Ensemble. Das Artemis Quartett bleibt im dreißigsten Jahr seines Bestehens weiter aktiv.

Von Christiane Keckeis

Mit Johannes Brahms‘ Streichquartett a-Moll blättern die vier Musikerinnen am Dienstag (2.10.) im Großen Saal des Mozarteums ein klangästhetisches Spektrum auf, das vielseitiger kaum sein könnte. Ätherisch, fast flüchtig, zerbrechlich beginnt der erste Satz – ganz durchsichtig, gelegentlich unterbrochen von ekstatischem Aufbegehren, aber eigentlich: Nicht von dieser Welt.

Die Schlichtheit des zweiten Satzes bekommt mit dem durchgängig gewählten intensiven Vibrato aller vier Streicher einen jammernden, verletzlichen Farbton, während das „Quasi-Menuett“ des dritten Satzes blühend – vital, mit filigran abgestimmter rhythmischer Lebendigkeit - eine weitere Klangseite eröffnet. Das alles im achtsamst aufeinander eingehendem Zusammenspiel.

Energisch, mit gleißender Kraft , akzentuiert, scharf artikulierend und mit einer Unerbittlichkeit, die die vorsichtig erinnernd sich dazwischen schiebenden lyrischen Teile konterkariert und letztlich beiseiteschiebt, enden Brahms und die Musikzierenden im Finale.

Bartoks viertes Streichquartett, das zweite Highlight des Abends, packt den Zuhörenden mit effektvoller Expressivität, rhythmische Spannung und, auch hier, größtem Farbenreichtum. Eckart Runge, der charismatische Cellist des Quartetts, führt an - aus der Mitte auf einem Podest sitzend und so auf Augenhöhe mit den stehend spielenden Kolleginnen.

Ein Thron für das scheidende Gründungsmitglied? Ein solcher gebührt Eckart Runge jedenfalls: Er gibt den rhythmischen Impuls quasi groovend, gestaltet wundervoll farbige Cellosoli und lotet besonders bei Bartok den Sexappeal des Cellos zur Gänze aus. - Wozu Bartok freilich die animierenden Vorgaben liefert. Über den aufregend schön intonierten Teppich der restlichen Streicher legt Runge sprechende Linien, einen Monolog, der im Dialog mit der ersten Violine von Vincta Sareika ein Zwischenspiel findet.

Das Allegretto pizzicato regt sichtlich zum Tanzen an: Anthea Kreston, die, ebenfalls scheidende, zweite Geigerin gestaltet mit Körper, Mimik und differenziertestem Pizzicato. Eine Freude sowohl zuzuschauen, als auch zu hören. Was wäre auch Bartok ohne Leidenschaft. So mancher Bogen löst sich auf – was für ein Fest. Die begeisterten Bravi des Publikums sind nachvollziehbar.

Aber das ist noch nicht das Ende: Mozarts Dissonanzenquartett KV465 macht nach der Pause den Salzburger Abschluss. Die intensive Art des Musizierens , das Ausloten der Spannungen, das springlebendige Gestalten trotz langer Phrasen, das dennoch nicht auf Eleganz verzichtet, und der Mut, dynamisch gelegentlich an die Grenzen zu gehen, bewähren sich auch im klassischen Stil.

Mit Brahms „Waldesnacht“ op.62, in der Streichquartettfassung fast inniger als im Original, verabschiedet sich das Artemis-Quartett in der jetzigen Besetzung von Salzburg. Und das ist von Herzen schade!

Bilder:www.artemisquartet.com / Nikolaj Lund

 

 

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