Eine Serenade vor dem Blutsonntag
MOZARTEUMORCHESTER / JOHN STORGARD
27/09/18 Zu ihrem Herbstauftakt bringt die Salzburger Kulturvereinigung drei Mal „Das Jahr 1905“, die Sinfonie Nr. 11 von Dmitri Schostakowitsch. Mit Bravour setzten die Musiker unter der einsatzfreudigen Leitung des Finnen John Storgårds dieses aufwendige Tongemälde um. Solistin in Bernsteins Serenade war Baiba Skride.
Von Elisabeth Aumiller
Vor dem Eintauchen in die russischen Aufmärsche war Leonard Bernsteins selten zu hörende, 1954 entstandene Serenade After Plato's „Symposium“ für Solovioline, Streicher, Harfe und Schlagzeug eine elegante und weit filigranere Klangverflechtung. Die lettische Geigerin Baiba Skride brillierte mit singendem Geigenton in gold-silbrig changierendem Glanz von erlesener Qualität. Skride begann solistisch mit zart gesponnener Melodie, in die sich die Violingruppe und nach und nach die tieferen Streicher einfädelten und in erregte Motorik übergingen. Im wechselnden Spannungsfeld zwischen dramatischem Aufbegehren und elegischer Lyrik behielt die Solo-Violine ihr besonderes Eigenleben mit tonalen Kantilenen voller Zauber, in einzelnen Passagen wie Elfengesang anmutend oder gestattete sich mal einen flotten Dialog mit dem Cello. Auch die Harfe meldete sich fein zu Wort und dazwischen machte immer wieder das fünfach besetzte Schlagwerk in unterschiedlichen Facetten auf sich aufmerksam. Ein interessantes Stück allemal, von der Solistin Baiba Skride und vom Orchester bravourös und eindrucksvoll dargeboten.
Schostakowitschs Symphonie Nr.11 g-Moll ist eine Programmmusik zum „Petersburger Blutsonntag“ am 9. November 1905. Der Zar ließ damals auf unbewaffnete Demonstranten schießen. Das Ergebnis waren über tausend Tote, Unruhen und Plünderungen. Schostakowitsch fing die Revolte mit vier snfonischen Sätzen ein: Der Platz vor dem Palast (Adagio), Der 9. Januar (Allegro), Ewiges Angedenken (Adagio) und Sturmgeläut (Allegro non troppo). Anlass zur musikalischen Aufarbeitung des revoloutionären Geschehens war die Parallele dazu im Jahr 1956 des von den Sowjets niedergeschlagenen ungarischen Volksaufstands. Schostakowitsch ließ eine Reihe von Zitaten traditioneller Revolutionsmusiken gekoppelt mit seiner Erfahrung als Filmkomponist mit einfließen und schuf ein bombastisches Werk, dessen Eindruck man sich nicht entziehen kann. Schon der Beginn mit dem vom Trommelwirbel unterfütterten Trompetensignal, das auch später wieder auftaucht oder von den Hörnern variiert wird, markiert die militärische Situation, die von wuchtigen Paukenschlägen bekräftigt wird. Dunkle lastende Farben steigen aus den tiefen Streichergruppen auf. Die Adagio-Passagen kommen fast tonlos zuweilen und unheimlich in der Stimmung, um so gewaltiger brechen die Tuttistürme herein. Die einzelnen Instrumentengruppen haben im Wechsel relativ lange Alleingänge, das Blech ist mit allen Varianten vordergründig, ebenso die Schlagwerker mit Trommel, Pauken, Becken etc. in vielfachen Facetten. Beruhigung wird von den Holzbläsern eingebracht, die mit schönen Soli auflichten, sich aber auch im Verein mit den Streichern in den verhaltenen Adagioteilen zu unheilvoll düsterem Ausdruck verschwören. Melancholie und Trauer wechseln mit Schlachtenlärm, der am Ende fast in martialischem Siegestaumel verhallt. Der Dirigent John Storgårds leitete das Mozarteumorchester mit energischem Einsatz und führte es zu beeindruckender Klangentfaltung in großer dynamischer Bandbreite, er wusste die hervorragenden Qualitäten der Instrumentalisten gezielt zu nutzen.