„Scheishäusel den 12. Juli“
HINTERGRUND / ANKAUF / MOZART-BRIEF
20/07/18 Es klingt ein bisserl so, als sei der Briefschreiber vom "hitzigen Frieselfieber" befallen. Aber an dieser für die heutige Medizin eher dubiose Erhitzung ist Mozart erst ein halbes Jahr später gestorben. Im Fall des Briefs, den er an seinen Freund Anton Stoll 1791 schrieb, haben wir es vermutlich nicht mit Frieselfieber, sondern mit kreativem Übermut zu tun.
Es sei, so heißt es, eine der wertvollsten Neuerwerbungen der letzten zehn Jahre: Ein Brief von Mozart, geschrieben in seinem Todesjahr 1791. Auch Brahms zählte zu den Besitzern dieses Autographs. Zuletzt konnte die Stiftung Mozarteum 2001 ein Originalbrief Mozarts ankaufen. „Was für ein besonderer Moment und was für ein Glück, dass sich die Eigentümerfamilie dieses besonderen Mozartbriefes direkt an die Stiftung Mozarteum gewandt hat“, freut sich Stiftungs-Präsident Johannes Honsig-Erlenburg. Damit hätten die bisherigen Besitzer die Institution vor einem „Auktionsmatch“ bewahrt, „bei dem eine gemeinnützige Institution wie die Stiftung Mozarteum schon lange nicht mehr mithalten“ könne. „Und was für ein Geschenk, das uns Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann mit der Ankaufsfinanzierung gemacht hat. So können wir Mozarts frivolen Spaß weltweit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen“, so Honsig-Erlenburg.
Mozart leitet seinen Brief mit einem kurzen „Gedicht“ ein und nennt seinen Freund: „liebster Stoll! / bester knoll! / grösster Schroll!“. Auf den ersten Blick scheinen das nur beliebige Reimwörter zu sein, doch tatsächlich verwendet Mozart seinerzeit geläufige Begriffe, die einen dicken und äußerst groben Menschen bezeichnen. Natürlich war dies nicht ernst gemeint, und als Freund Mozarts wusste man gewiss mit solchen Scherzen umzugehen.
Den Brief schrieb Mozart am 12. Juli 1791 an seinen Kollegen und guten Freund Anton Stoll (1747–1805) in Baden bei Wien. Mehrere Male hatte Mozart seine Frau Constanze zur Kur nach Baden geschickt, wobei Stoll bei der Suche nach einem passenden Quartier behilflich war. Auch im Juni und Juli 1791 besuchte Constanze das „Antonienbad“, das besonders kostspielig war und daher „nur von Kranken höhern Standes besucht“ wurde, wie es in einer zeitgenössischen Beschreibung heißt.
Mozart besuchte seine Frau während dieser Zeit mehrere Male und führte bei dieser Gelegenheit in der Badener Pfarrkirche mehrere Werke gemeinsam mit Stoll auf, der dort als Chorregent für die Kirchenmusik verantwortlich war. Eigens für Stoll komponierte Mozart am 17./18. Juni 1791 in Baden eines seiner bekanntesten geistlichen Werke, das Ave verum KV 618, das am Fronleichnamstag des gleichen Jahres (am 23. Juni) in der Badener Pfarrkirche seine Uraufführung erlebte.
Der Inhalt von Mozarts Brief: Der Komponist bittet den befreundeten Chorregenten Anton Stoll, ihm die Noten zu zwei Werken – vermutlich der Messe KV 275 und eines Werks von Michael Haydn – zu schicken, die man zuvor gemeinsam in Baden in der Kirche aufgeführt hatte. Dass Mozart außerdem in seinem letzten Lebensjahr auch noch ein Werk Michael Haydns (1737–1806) aufführte, belegt dessen anhaltende Wertschätzung für seinen ehemaligen Salzburger Kollegen.
Die Einleitung ist nicht die einzige g'spaßige Sache an dem Brief: Mozart ahmt auch die Schrift von Franz Xaver Süßmayr (1766–1803) nach, und auch den lässt er vermeintlich um die Noten bitten. Die Krönung des kleinen Mozart‘schen Sprachkunstwerks ist schließlich die Datierung im „Scheishäusel den 12. Juli“.
Von Mozart sind nur zwei Briefe an Stoll erhalten geblieben, die auf ein sehr vertrautes, freundschaftliches Verhältnis schließen lassen. Der erste brief ist nach wie vor in Privatbesitz. Die Bibliothek der Stiftung verwahrt den größten Teil der Korrespondenz der Familie Mozart, darunter allein fast 200 Originalbriefe Wolfgang Amadé Mozarts. Die Sammlung, zu der auch zahlreiche Musikautographen Mozarts gehören, geht in ihrem Kern auf Geschenke und Vermächtnisse von Mozarts Witwe Constanze sowie seiner beiden Söhne Carl Thomas und vor allem Franz Xaver Wolfgang Mozart zurück. Originalhandschriften Mozarts und seiner Familie sind im Autographentresor der Stiftung Mozarteum im Mozart-Wohnhaus ausgestellt, der im Rahmen von Spezialführungen – beispielsweise während der jährlichen Mozartwoche – zugänglich ist.
Schon seit mehreren Jahren macht die Stiftung Mozarteum ihre wertvollen historischen Bestände sukzessive online frei zugänglich. So sind alle Briefe Mozarts aus der Sammlung bereits online verfügbar, auch die neu erworbene Handschrift. (ISM)