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Maria und andere schöne Frauen

HINTERGRUND / SYMPOSION / MÖNCH VON SALZBURG

30/05/18 Frauenlob. Oswalds von Wolkenstein. Ist der Mönch von Salzburg neben den Berühmtheiten der Minnesänger-Epoche einer der provinziellen Vertreter unter den „Liedermachern“ der Epoche? Man hat es nicht leicht als namenloser Benediktiner aus dem 14. Jahrhundert...

Von Reinhard Kriechbaum

In der Musikgeschichte taucht der Mönch von Salzburg gar nicht selten und an prominenter Stelle auf. Immerhin hat er das erste mehrstimmige Lied und den ersten Kanon in deutscher Sprache geschrieben. Dieses „Martein, lieber Herre“ nannte der Mönch selbst „ain radel von drein stymmen“. Dass seine Lieder sich in über hundert mittelalterlichen Handschriften finden, spricht für ein gerüttelt Maß an Prominenz – in so vielen Büchern kommt kein anderer seiner Zeitgenosse vor.

Morgen Freitag (1.6.) braucht man nicht nur neugierige Ohren, sondern auch flinke Beine, um einigen Konzerten mit Musik des Mönchs – dem Salzburger Minnesang-Phantom – beizuwohnen. Solche gibt es im Kleinen Studio der Mozarteum, in der Nepomukkapelle im Schloss Mirabell und in der Franziskanerkirche. Ausführende sind das Ensemble Harmonia Variabilis um den Musiker und Sänger Thomas Schallaböck, die Salzburger Virgilschola (Ltg. Stefan Engels) sowie der auf die Aufführungspraxis von mittelalterlichem Minnesang und Sangversepik spezialisierte Silvan Wagner. Tags darauf (2.6.) gibt es an der Universität Mozarteum ein wissenschaftliches Symposion.

Der Salzburger Erzbischof Pilgrim II. (ihn selbst vermuteten manche Wissenschafter hinter dem namenlosen Liedermacher) sorgte damals für die wohlfundierten Finanzen des Erzstifts, erklärt der Historiker Gerhard Ammerer. „Insbesondere Bergbau und Handel ermöglichten eine expansiv ausgerichtete, relativ eigenständige Politik des geistlichen Landesherrn.“ Der Erzbischof selbst war es wohl nicht, aber ein „Mönch“ mag der Liederschöpfer tatsächlich gewesen sein, dessen Wirken kirchlich mit der Melker Reform zusammenfiel. Die 49 dem Mönch zugeschriebenen geistlichen Lieder, die zum Teil die klassischen Gattungen wie Hymne und Sequenz aufgreifen, „mussten der liturgischen Erneuerung zumindest verdächtig erscheinen, die gerade diese Formen und ihre Melodien aus der Praxis des Offiziums verdrängen wollte“, vermutet der Musikwissenschafter Alexander Rausch.

Hier Gregorianischer Choral als Muster für die geistlichen Kompositionen des Mönchs, dort das weltliche Milieu mit Minnelyrik und Mehrstimmigkeit: Das Phantom Mönch war jedenfalls kein Kind von Traurigkeit. „Maria und andere schöne Frauen“ betitelt die Germanistin Siegrid Schmidt ihr Referat. Sie weist darauf hin, dass in dem aktuellen Forschungsprojekt „Music and late mediaval Court Cultures“ in Oxford der Mönch von Salzburg zentral berücksichtigt wird, womit sie dessen besonderes Potential für die Forschung gewürdigt sieht.

Silvan Wagner, Forscher und Sing-Praktiker, sieht das Werk des Mönchs „zum Teil ‚mittelalterlich‘ – kirchentonal, monodisch, psalmodierend (meist die geistlichen Lieder) – zum Teil ‚neuzeitlich‘ – harmonisch bereits in der Melodiebildung, metrisch regelmäßig (meist die weltlichen Lieder).“ Freilich: Stimmen solche aus heutiger Perspektive vorgenommenen Klassifizierungen?

Der Mönch von Salzburg gibt als erster Komponist nördlich der Alpen Aufführungsanweisungen zu seinen Gesängen. Das heißt natürlich nicht, dass man ohne ein gerüttelt Maß an Fachwissen auskäme, um sich seiner Musik adäquat anzunähern. „Die weltlichen sowie geistlichen Werke des Mönches von Salzburg in einem besonders prekären Verhältnis, was Komposition und Aufzeichnung in ursprünglicher Form, spätere Überlieferung sowie moderne Übertragung und entsprechende Interpretation betrifft“, sagt Walter Kurt Kreyszig. Die Übertragung von Notenzeichen und ihre Deutung ist ja immer vom jeweiligen Forschungs- und Verständnisstand abhängig gewesen. Heißt es also, sich nach den geschriebenen Notenwerten zu richten, oder ist die Methode des Gregorianischen Chorals angebracht, also eine natürliche Deklamation des Textes und somit eine arhythmische Interpretation anzustreben?

Der Salzburger Musikwissenschafter und Leiter der Virgilschola, Stefan Engels: „Die Handschriften überliefern uns die Melodien in der in liturgischen Büchern gebrauchten sogenannten 'Gotischen Choralnotation', teilweise wie in der Gregorianik ohne genaue rhythmische Notenwerte für Lieder im freien Wortrhythmus, teilweise in der für jene Zeit üblichen semimensuralen Notation mit langen und kurzen Notenwerten (Doppelnote, Notenkopf als Raute ohne oder mit Hals).“ Die klangliche Realisierung der geistlichen Gesänge des Mönchs hänge mithin von der Sichtweise der jeweiligen Interpreten ab. „Man kann die Stücke eher als aus der Liturgie entstanden sehen, oder man fasst sie als geistliche Lieder in der Tradition der Minnesänger auf. Beide Sichtweisen haben ihre Berechtigung.“

Der Mönch von Salzburg im Interpretationsprofil der Gegenwart. Konzerte und Symposion am 1. und 2. Juni – www.moz.ac.at
Bilder: Universität Mozarteum

 

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