Das irdische Leben
SOLITÄR / LIEDERABEND CAMILLA NYLUND
01/06/18 Die lyrisch-dramatische Sopranistin Camilla Nylund, in Finnland geboren, weltweit erfolgreich in allen bedeutenden Opernzentren und erfahren in den tragenden Partien des sogenannten jugendlich-dramatischen Fachs, beeindruckte das Auditorium mit einem anspruchsvollen Lieder-Programm iin einem Klangreisen-Konzert im Solitär der Uni Mozarteum.
Von Elisabeth Aumiller
Mit Stimme, Ausstrahlung, Präzision und Gestaltungsgabe begeisterte sie die Zuhörer, die konzentriert ihren klangleuchtenden Schilderungen der poetisch-musikalischen Genreszenen lauschten und sich davon in Bann ziehen ließen. Einfühlsamer und nuancenreich gestaltender Begleiter am Klavier war der renommierte Pianist Helmut Deutsch.
Um das irdische Leben, um die Facetten der Liebe, deren Sehnsucht, Glück und Verlust, um Natur und Todesahnung kreisten die Stimmungen. Die stimmliche Palette bewegte sich von feiner Lyrik bis zum dramatisch auftrumpfenden Aplomb. Dazwischen wusste sie vielschichtige aus dem Wortgehalt empfundene Schattierungen zu setzen und zeigte überzeugend, wie sie als vollmundige Opernsängerin auch bewegende Liedgestalterin sein kann.
Den Anfang machte eine Gruppe von sieben Liedern von Jean Sibelius. Die schwedische Sprache setzte wahrscheinlich einer internationalen Bekanntheit dieser musikalisch höchst stimmungsvollen Klangjuwelen Grenzen. Es sind erlesene Tonbilder um rauschendes Schilf, glitzernden Schnee, Traumerinnerungen, Lenz und Winter im Herzen, Untreue, Liebesabschied und schwarze Rosen. Zart und träumerisch gab Nylund traurigen Klagegesang, etwa der schlagenden Wellen im Schilf, begehrte auf in schmerzlichem Liebesverlust oder ließ Melancholie und Träume innig schimmern.
Aus „Des Knaben Wunderhorn“ von Gustav Mahler reihte die nächste Gruppe sechs Lieder. Die martialisch geblasenen Trompeten verklangen in der Schilderung vom toten Soldaten, der seine Liebste zu sich rufen will. „Das irdische Leben“ erzählte vom sterbenden Kind, „Das Urlicht“ „...wird leuchten mir bis in das ewig selig Leben“: Nylund fand ergreifende Töne dafür, bevor sie in Aufheiterndes überging bei „Verlor'ne Müh“. Unbeschwert fragte sie sodann „Wer hat dies Liedlein erdacht“. Dramatisch formte die Sopranistin den schmerzlichen Ausbruch in „Scheiden und Meiden“.
Zum Höhepunkt wurden die Lieder von Richard Strauss. Da zeigte die Stimme im opernhaft vollen Schwelgen und Blühen, für welchen stimmlichen Typus Strauss seine Lieder wohl konzipiert hatte, die er meist seiner Frau, der Sängerin Pauline de Ahna, zugedacht hatte.
Überschwang kennzeichnete die „Heimliche Aufforderung“ und „Ich liebe Dich“, entzücktes Lächeln „Die Georgine“ , Verhaltenheit „Die Verschwiegenen“, verträumte Zartheit die „Freundliche Vision“. „Vier letzte Lieder“ sind selten in der Klavierfassung zu hören. Helmut Deutsch schälte alle Farben heraus, die das Klavier dafür hergibt, trotzdem ist die Orchesterfassung die reichere, vielschichtigere Palette. Vor allem „Beim Schlafengehen“ kann das Klavier das traumverloren singende Violinsolo nur schwer ersetzen. Aber dafür machten andere Details stärker auf sich aufmerksam, wie beispielweise im Nachspiel von „Im Abendrot“, in dem die Triller wie das Totenglöckchen läuteten. Nylund gestaltete mit leuchtender Verve, auch mit innigem Feinschliff, ließ die Seele jubilierend „in freien Flügen schweben“ und berührte mit empfindsamem Ausklingen im Abendrot „Wie sind wir wandermüde - ist dies etwa der Tod?“