Der andere Advent in Salzburg
KONZERTE / IG KOMPONISTEN / GWANDHAUS
22/12/17 Es gibt sie, die feine Musik in der Stille. Sie kann ein altes Weihnachtslied sein, eine Totenklage, eine Beschwörung der Ewigkeit. Sie findet gar nicht so weit entfernt von den großen Märkten statt, die das Christkindl zwar noch im Namen führen, aber es längst in tosenden Kommerz entführt haben. So schön die festlichen Adventsingen sein können, so wichtig sind die kleinen Konzerte mit ihren großen Gefühlen.
Von Gottfried Franz Kasparek
Drei Blicke in das Salzburger Konzertleben abseits der Massen im Advent. Die IG Komponisten veranstaltete unter dem Motto „ZEIT-AUS-ZEIT“ im Bösendorfer-Saal des Mozarteums drei mittägliche Einkehrstunden mit Musik unserer Zeit. Komponisten interpretierten selber ihre Stücke, Die letzte am vergangenen Montag bot eine nachdenkliche Improvisation über „Maria durch ein Dornwald ging“ von Gerhard Pirklbauer, mikrotonal wohlklingende Gitarrestücke von Siegfried Steinkogler, eine verinnerlichte Improvisation Hossam Mahmouds auf der Oud und „Für Bianka Horn“ für zwei Celli von Shane Woodborne. Letzteres ist ein Epitaph für eine gleichaltrige obdachlose Frau, deren Todesanzeige der Komponist zufällig in der Hamburger Straßenzeitung gelesen hat. Es ist, kurz und bündig, ein Meisterwerk in zeitlos freier Tonalität. Die Schönheit des Lebens ist letztlich stärker als das Grauen des Todes. Man mag diese Musik nicht analysieren, sie berührt tief in ihrer Intensität und Wahrheit.
Diese Beschreibung gilt genauso für Hossam Mahmouds neues Werk „Deine Ferne ist für mich kein Fernsein“ auf einen wundersamen Text des Sufi-Dichters Mansur al Halladsch, der im Jahre 922 in Bagdad als Ketzer gekreuzigt wurde. Der Wahn des Alleinseligmachenden ist bis heute nicht auszurotten. Mahmouds Stück beginnt mit dem innigen Klagesang einer Altstimme, vollendet interpretiert von Bernadette Furch, und wechselt dann zwischen Sequenzen für ein famoses Vokalensemble und Streichtrio. Man kann nicht ergreifender und melodisch kostbarer mikrotonal komponieren. Man kann das nicht atmender und klangschöner spielen als Frank Stadler, Predrag Katanic und Mikhail Nemtsov. Unter der feinfühligen Leitung von Kai Röhrig ergab sich, auch in der räumlichen Gestaltung, eine unvergessliche Stunde der Besinnung am 19. Dezember im Domchorsaal. Und es war das würdige Abschiedskonzert des scheidenden und so verdienstvollen Leiters der Paul Hofhaymer Gesellschaft, Herbert Grassl.
„O Heiland reiß die Himmel auf“ ist der „Heiligabend eines Todgeweihten“ und ein oratorisches Konzert von Daniel Vereno, gegeben am 21. Dezember im Gwandhaus. Ein Mann im Kerker. Die Pest hat ihm seine Liebsten geraubt und zum Bettler gemacht. Ein Reicher verspottet ihn, bespuckt ihn. Der Mann wird zum Mörder. Ein Mönch kommt. Der Kuttenmann hat dieselbe Geschichte, aber statt zu betteln, ist er ins Kloster gegangen. Am Ende finden beide Trost im christlichen Glauben. Das hat einen Bezug zu unserer Zeit und erinnert textlich an alte geistliche Spiele. Eine Talentprobe.
Daniel Vereno singt selber mit, im Ensemble Lux Aeterna. Cousin Michael Vereno singt auch und spielt Drehleier und Dudelsack in seinem Ensemble Unisonus, welches für unverkrampften Zugang zu alter Musik steht. Vater Klemens Vereno hat vor allem zwei altgolden leuchtende Chorsätze fürs Finale beigesteuert. Toni Golser und Bernhard Teufl spielen die beiden Rollen mit Expressivität. Was besonders bleibt, ist der feine, sensible Klang der Ensembles, ist die Musik von Heinrich Schütz und Joseph Rheinberger, sind böhmische Volksweisen und Klemens Verenos Satzkunst, die das Wesentliche zum Tönen bringt. Und ein Weihnachtskonzert kann auch ganz ohne „Stille Nacht“ große Freude machen.