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Die Schreie der Patienten in der Psychiatrie

SOMMERAKADEMIE MOZARTEUM / ERÖFFNUNGSKONZERT

17/07/17 Mit einem feinen Kammermusik-Konzert eröffnete die Sommerakademie 2017 am 16. Juli im Großen Saal des Mozarteums. Dozenten musizierten mit Gästen ein abwechslungsreiches Programm, das die zentralen Komponisten der Akademie – Haydn, Mozart, Larcher – ebenso beinhaltete wie Ausflüge in die Vielfalt der Moderne.

Von Gottfried Franz Kasparek

Am Beginn stand Joseph Haydn. Der Geiger Wolfgang Redik, der Cellist Julius Berger und der Pianist Gottlieb Wallisch widmeten sich dem A-Dur-Klaviertrio Nr. 32 und sorgten für unterhaltsame Musik der besten Art. Exquisites Stilgefühl verband sich mit einer im Grunde wienerischen, sinnes- und klangfrohen Spiellust. Das machte, besonders im zündenden Allegro-Finale, Lust auf einen ganzen Haydn-Zyklus mit diesem Trio.

Nach der erfreulich kurzen, das Wesentliche aussagenden und in souveräner Zweisprachigkeit vorgetragenen Begrüßung durch Vizerektorin Sarah Wedl-Wilson ging es weiter mit einer veritablen Uraufführung. Der Norweger Michael Andreas Grolid, Jahrgang 1997. zählt zur jüngsten Komponistengeneration und zu jenen, die in erfrischend unorthodoxer Weise Tradition und Moderne verbinden, ohne allzu sehr diversen Avantgarde-Ideologien zu folgen. Grolids Stück für die aparte Besetzung mit Viola und der von Thomas Riebl liebevoll gepflegten fünfsaitigen Tenorbratsche verblüffte durch die feinnervige Transparenz der klanglichen Auffächerung, welche die beiden doch nahe verwandten Instrumente als Dialogpartner wirken ließ, mit dem famosen Milan Milojcic an der Bratsche und Riebls verführerisch blühender Tongebung. Grolids Duo ist im Grunde tonal, lässt die mitreißende norwegische Fiedelmusik durchscheinen und scheut sich nicht, barock inspirierte Formen einzusetzen. So kann man auch im 21. Jahrhundert noch gehaltvoll Virtuosenmusik schreiben.

Der Pianist Christopher Hinterhuber verzauberte mit Mozart-Feingefühl in den Variationen über „Ah. vous dirai,je, Maman“ KV 265, wobei es sich bekanntlich um ein schlüpfriges Chanson handelt und nicht um den Weihnachtsmann, der da kommt. Nebenbei: ein wenig Information über die Stücke hätte dem Programmheft durchaus gut getan. Nach der Pause spielte Thomas Riebl, nun wieder auf seiner „normalen“ Viola, eine Auswahl aus György Kurtágs „Signs, Games and Messages“, atmosphärischen Piecen, welche die Begabung des Komponisten für die kleine Form aufs Schönste erfahrbar machen und von Riebl vollendet interpretiert wurden, gipfelnd in einem witzigen Jig.

Franz Liszts Scherzo und Marsch, entstanden 1851, also schon in des Komponisten Zeit als Weimarer Hofkapellmeister, gleichsam im Schatten experimenteller symphonischer Dichtungen, wurde von Christoper Hinterhuber über jeden technischen Verdacht erhaben aus den Steinway-Tasten gedonnert. Das orchestrale Klavierstück war zu Liszts Zeiten wohl genauso „modern“ wie 2002 Thomas Larchers Gesangszene „My Illness ist he Medicine I Need“ Und dazu muss man wirklich wissen, worum es geht, und nicht nur, dass es sich um ein „vielgespieltes Werk“ handelt! Es geht um die spitzen Schreie und die verlorene Trauer von Patienten in der Psychiatrie, um authentische Texte, entnommen einem Magazin. Mit diesem Wissen erschließt sich das Werk als berührender und verstörender Blick in das Abseits der Gesellschaft. Grandios, wie die junge französische Sopranistin Sarah Aristidou die extremen Herausforderungen ihres Parts mit geradezu geheimnisvoller Stimmschönheit bewältigte und wie die Herren Redik, Berger und Wallisch substanziell Instrumentales beisteuerten. Der innovative Sommerakademie-Leiter Wolfgang Holzmair darf mit dieser Eröffnung zufrieden sein.

www.uni-mozarteum.at
Bilder: juliusberger.de / Sandra Behrbohm (1); www.youtube.com (1); christopherhinterhuber.com / Nancy Horowitz (1)

 

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