In memoriam eines großen Musikers
UNI MOZARTEUM / KAMMERMUSIK FESTIVAL
22/05/17 2015 nahm er am Abschlusskonzert des Salzburger Kammermusikfestivals noch teil. Heuer erinnerte die Universität Mozarteum mit einigen seiner Studenten in ihrer viertägigen Veranstaltungsreihe im Solitär an Österreichs im Vorjahr verstorbenen Weltklasse-Cellisten Heinrich Schiff.
Von Horst Reischenböck
Als Interpret war er ein Besessener, Getriebener, über den zahlreiche Anekdoten kursieren. Einmal kam er mit dem Auto von schneebedeckter Straße ab, öffnete sofort den Kofferraum und spielte im Freien sein Stradivari-Violoncello. Auf dem musiziert mittlerweile sein Schüler Clemens Hagen. Als Heinrich Schiff dies gesundheitsbedingt nicht mehr konnte, hatte er längst zum Taktstock gegriffen und nahm in Bremen Beethoven und mit der Northern Sinfonia im britischen Newcastle Sinfonien von Schubert auf.
Den Beginn des diesjährig zehnten Konzerts zum Abschluss Sonntagabend (21. 5.) gestaltete Cordelia Höfer am Steinway mit den kaum sechs Minuten der letzten Klavierkomposition von Anton Bruckner. Nicht bloß vom Titel her eine bewegende – und doppelte – „Erinnerung“, hatte sie Schiff dieses Stück doch auch am Vorabend seines damals 65. Geburtstags vorgespielt.
Danach fügten sich Pianistin Elisabeth Leonskaja mit Geigerin Hanna Weinmeister, Thomas Riebl an der Viola und Cellist Sebastian Bonhoeffer zusammen. Ihm war die Kantilene im Andante des ansonsten bis ins immer wieder hämmernde Zitat von Beethovens Schicksalsmotiv im Finale tragisch dominierten Klavierquartetts in c-Moll op. 60 von Johannes Brahms zugewiesen. Das letzte und am seltensten gespielte der drei aus seiner Feder. Mit Verve packten die Gruppe das eröffnende Allegro non troppo an und vor allem die Streicher scheuten sich dann nicht, im anschließenden Scherzo vom Ausdruck her Schiffs Credo „es gäbe gar kein 'schönes', nur ein charakter- und ausdrucksvolles Spiel einvernehmlich nachzueifern.
Franz Schuberts C-Dur-Streichquintett D 956 bildete den Schlusspunkt. Schiff hat es oft interpretiert und hinterließ zwei eigene, denkwürdige und nach wie vor Maßstäbe setzende Einspielungen, mit dem Alban Berg und dem Hagen Quartett als hochkarätige Partner wie. Seinen Part fügte diesmal Christian Poltéra, ein weiterer seiner ehemaligen Studenten, ins Auryn Quartett ein. Dieses Ensemble zeichnet derzeit für das Mondsee Festival verantwortlich, dem auch Heinrich Schiff geraume Zeit vorstand.
Schöner hätte dieser Abschied nicht ausklingen mögen als mit diesem einsamen Gipfel der Kammermusik, der einmal mehr den Wunsch nach nicht enden wollender Dauer wach werden ließ. Mischte doch Schubert in die eigentlich lichte Tonart genial ambivalente Züge sonder Art. Schon in die dramatische Durchführung des Kopfsatzes, noch mehr verstörend durch den abrupten Blick in den Abgrund, der inmitten das nachfolgend überirdische Adagio aufbricht. Das wurde so nachdrücklich gestaltet, dass danach alle Zuhörer einhellig in atemloser Stille verharrten. Matthias Lingenfelder und Jens Oppermann (Violinen), Stewart Eaton (Viola) sowie Andreas Arndt und Christian Poltéra (Violoncelli) – wie längst auch durch eine CD bewiesen auf einer Wellenlänge – peilten dann mit letztem Einsatz die ebenso zweideutige Zielgerade an. Heinrich Schiff wäre wahrscheinlich ebenso begeistert gewesen wie das vollbesetzte Auditorium.