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Mit zerstörerischer Intensität

MATINEE / MOZARTEUMORCHESTER / CONSTANTINOS CARYDIS

22/05/17 Ein Sonntagvormittag zwischen tiefsten Abgründen und heiteren Landschaften, aufregend und so kontrastreich, dass es kaum auszuhalten war: Die Sonntags-Matinee (21.5.) des Mozarteumsorchesters unter Leitung von Constantinos Carydis stellte im Großen Festspielhaus Schostakowitschs Erstes Cellokonzert und Mahlers Erste Symphonie gegenüber – ein Aneinanderprallen von denkbar gegensätzlichen Welten.

Von Christiane Keckeis

Dass während des berührenden langsamen Satzes des Konzerts einer der Musiker auf der Bühne kollabierte, entsprach der zerstörerischen Intensität der Musik – gottlob kam mit Mahlers symphonischer Bilderlandschaft auch die Entwarnung: und so war dann letztlich alles wieder gut.

Aber der Reihe nach: Für Schostakowitschs Konzert für Cello wählte man Clemens Hagen als Solisten – besser hätte man auch nicht wählen können. Zur Zeit gibt es wohl kaum einen Cellisten, der dieses Werk in der unbarmherzigen Spannung zwischen skurril-gespenstischer Atmosphäre und der Verlorenheit des Individuums ähnlich intensiv darzustellen weiß wie er. Kein extrovertierter Schausteller; keiner, der seine Virtuosität auf dem Tablett serviert; keiner, der plakativ zu sagen scheint: Schaut, was ich für euch habe, hört zu, wie phantastisch das ist. Nein. Clemens Hagen Hagen verschwindet in der Musik, oder besser: Er verbindet sich mit der Musik.

In der Hingabe scheut er kein Risiko. Diese Haltung nötigt das Publikum, ihm durch das zerrissene Werk zu folgen, die Spannung auszuhalten und mitzutragen: die fahlen Farben des totentanzähnlich anmutenden ersten Satzes (Anerkennung dem dialogisierenden Solo-Hornisten!), die im großen Raum wunderbaren Pianissimi und die Kantilenen, die im Nichts endenden fast leblosen Flagolets des zutiefst melancholischen zweiten Satzes, dessen Wiederholung nach dem Zusammenbruch des Musikerkollegen vielleicht noch etwas inniger geriet. In der Cadenz lotet Hagen mit differenzierter Farbvielfalt die Zerrissenheit aus, bevor im letzten Satz ein virtuoser aggressiver Tanz entsteht. Das Mozarteumorchester unter Carydis ist ein wunderbar, ganz kammermusikalisch sensibel begleitender und dialogisierender Gegenpart, der dem Solisten alle dynamischen Feinheiten ermöglicht, sehr achtsam und hörbar gut gearbeitet.

Weltenwechsel nach der Pause: ganz malerisch und bildhaft ist Mahlers Sprache in seiner Ersten Symphonie – und was malt er? Zunächst den Frühling am Land, dass den Zuhörenden das Herz aufgehen muss, mit Wasser und Sonne und Vogelrufen, viel Natur und – Blasmusik. Ein Fest für die Blechbläser des Mozarteumorchesters. Hier können sie bravourös zeigen, was in ihnen steckt. Überhaupt hatte Mahler (im Gegensatz zu Schostakowitsch) ein Herz für Orchestermusiker. Jeder darf sich einmal präsentieren, von der Tuba bis zur Violine, von der Klarinette bis zur Trompete. Und hörbar wird, welch gute Solisten in diesem Orchester sitzen.

Statt existenzieller russischer Melancholie nun Wiener Wehmut im zweiten Satz: Das wienerische Fin de Siècle schaut immer wieder um die Ecke, doch Constantinos Carydis vermag dem nicht allzu viel abgewinnen. Das Sentiment kommt oft pur und undelikat und auch im weiteren Verlauf nimmt er Mahlers Schilderung ohne jede Brechung, mit wenig Schmäh, was schon auch schade ist. Die Dynamik wechselt zwischen sehr schönen Piani und tumultuösem Forte und im letzten Satz fetzt, wirbelt und knallt es dann richtig – da wird man richtig dankbar, wenn die Stimmung wieder ins Pianissimo wechselt, bevor die Ekstase überhand nimmt. Wenn es auch im Zusammenspiel das ein oder andere Hoppala gibt, bei Tempoübergänge die Reaktionsschnelligkeit der Musiker gelegentlich unterschiedlich ist: Das Orchester überzeugt in der Gesamtleistung. Und das Publikum jubelt. Der verstörende erste Teil des Morgens ist glücklich überwunden.

Die Sonntagsmatineen des Mozarteumorchesters in der kommenden Saison: www.mozarteumorchester.at
Bilder: www.harrisonparrott.com (1); www.impresariat-simmenauer.de / Harald Hoffmann (1)

 

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