Kadenzen zu Mozart
CD-KRITIK / MICHAEL RISCHE
21/01/11 Im letzten Konzert der diesjährigen Mozartwoche steht das d-Moll-Konzert auf dem Programm. An ihm kamen selbst Pianisten nicht vorbei, die sich - wie etwa Svjatoslav Richter - sonst eher selten für Mozart erwärmen konnten. Der Deutsche Michael Rische, der unter anderem bei Rudolf Buchbinder studierte, bereicherte seine Interpretation durch Alternativfassungen der Kadenzen.
Von Horst Reischenböck
Mozart schrieb sich zwar selbst Kadenzen, die im Falle von KV 466 aber leider bislang nicht wieder auftauchten. Genauso wenig wie jene aus Händen von Felix Mendelssohn anno 1832.
Schon Clara Haskil, deren verschiedentlich dokumentierte Deutung (nicht zuletzt von der allerersten Mozartwoche 1956 in Salzburg) nach wie vor eigentlich das Maß aller Dinge darstellt, spielte eigene Kadenzen. Wie auch Malcom Bilson in seiner Gesamtaufnahme mit Hammerklavier. Oder teilweise Vladimir Ashkenazy und Friedrich Gulda, die ansonsten wie ihre meisten Kollegen Ludwig van Beethoven vertrauten, der 1795 Mozart mit Kadenzen zu diesem Konzert Reverenz erwies.
Auch der in Köln lehrende Michael Rische hat die Beethoven-Kadenzen nicht ausgespart. Er spielt sie nachdenklicher als manch anderer. Mit seiner Kadenzen-Blütenlese folgt Rische übrigens Mozarteum-Professor Ruggiero Ricci nach, der seiner Einspielung des Brahms-Violinkonzerts vor 20 Jahren nicht weniger als 16 (!) Kadenzen zu zusätzlicher Auswahl mit gab.
Beachtenswert in diesem Projekt sind besonders Mozarts eigener Schüler Johann Nepomuk Hummel und dessen Schüler, Wolfgangs Sohn Franz Xaver, der den Solopart 1842, anlässlich der Enthüllung des Mozart-Denkmals in Salzburg, in der Alten Residenz spielte. Aus dem romantischen Blickwinkel bietet die Kombination Johannes Brahms und der mit ihm eng befreundeten Clara Schumann, spezifische Reize. Es ist nicht so klar auszunehmen ist, wer, was und wie viel dazu beisteuerte. Aufschlussreich die Varianten von Ferrucio Busoni, der sich bekanntlich mehrfach, u. a. mit der Fantasie KV 608 oder durch sein Duettino Concertante mit Mozart auseinandersetzte.
Auch Rische hielt mit Eigenem nicht hintan. Wobei bewusste Asymmetrien - Motiv-Erweiterungen oder zusätzliche Noten - seiner Kadenzen den irritierenden Eindruck erzeugen, als hinge die CD plötzlich oder habe gar einen Fehler. In Summe ist seine Interpretation absolut hörenswert, vielleicht in der Romance nicht ganz so zwingend allein nur schwerelos singend, wie eben einst Clara Haskil. Als Dirigent animierte der Brite Howard Griffiths das WDR Sinfonieorchester (das schon 1973 Herbert von Karajan bei der Festspiel-Uraufführung von Carl Orffs „De temporum fine comoedia“ in Salzburg assistierte) zu partnerschaftlichem Mitgestalten.