„…macht a kloas Bischerl an Endhaufn aus“
HINTERGRUND / PINZGAUER VOLKSLIEDER
09/09/14 „Bauernherbst“ ist in Salzburg, die wirtschaftlich optimale Verschränkung von Tour- und Folklorismus. Über den putzigen Heufiguren und den Gourmetangeboten darf man ruhig auch ein paar Gedanken verschwenden, wie das eigentlich früher war mit der Pflege der Volkskultur.
Von Reinhard Kriechbaum
Dass sie als etwas Gefährdetes betrachtet wurde, das es zu bewahren, zu fördern, eben zu „pflegen“ gibt, war im vorigen Jahrhundert schon so. Die Sammlung „Pinzgauer Volkslieder“ von Franz Lackner (1814-1890) ist ein beredtes Zeugnis dafür. Da hat also ein emsiger Lehrer aus Uttendorf um die Mitte des 19. Jahrhunderts das Liedgut seiner Heimat zusammengetragen. Die Sammlung ist im Frühjahr in einer prachtvollen zweibändigen Ausgabe (Faksimile und Liederbuch) vom Salzburger Volksliedwerk in Zusammenarbeit mit dem Salzburg Museum herausgegeben worden.
Seit 1886 ruht das beinahe 200 Seiten dicke Konvolut im Salzburg Museum. Im Archiv wollte es sein Verfasser freilich nicht wissen. Aus beiliegenden Briefen wissen wir, dass Franz Lackner damals alle Hebel in Bewegung setzte, um es seinen großen Vorbildern, den Lieder- und Märchensammlern des 19. Jahrhunderts vom Schlage eines Herder, Brentano oder Grimm gleichzutun: Auch er hätte seinen Liederschatz gerne als gedrucktes Buch in Händen gehalten. Hat damals nicht wollen sein.
Von einem „einzigartigen Fenster in die Vergangenheit“ spricht Josef Radauer, den die Sache als Musiker logischerweise sofort angesprochen hat. Er hat den Notensatz – im Original zweistimmig mit (instrumentaler?) Bass-Stimme – auf die heute übliche Vierstimmigkeit erweitert. Ganz unbekannt war die Lackner-Sammlung natürlich nicht: Das eine oder andere Lied hat Eingang ins Salzburger Adventsingen gefunden. Von den rund achtzig Liedern wird gut ein Viertel von heimischen Chören und Viergesängen zumindest in Varianten noch gesungen.
Vergnügen macht’s jedenfalls, drin zu blättern. Gut, dass viele Textpassagen erklärt sind, man stünde als Dialekt-Laie oft ziemlich ratlos da. Wir viel über die Lebenssitten und nicht zuletzt über die Paarungsgepflogenheiten inner Gebirg. Beim „Gasslgehen“ (dem Fensterln) ist auch mancher „Fensterstreit“ vom Zaum gebrochen worden. Wer wem den Abschied beschieden hat? Da herrscht einigermaßen Gendergerechtigkeit. Nicht ganz freiwillig wohl hat „a Kloana / a lebfrischer Bua“ seine Interessen verlegt: „S’Gamsl schießn is sein Freud / Lieber als’d Weiberleut“. Auch so mancher Besuch eines Wildschützen bei der „Sendin“ (Sennerin) blieb – im Lied jedenfalls – tendenziell erfolgslos. In einem dieser fröhlichen Almlieder ist „Da Hüatabua mit seinem Steckn“ schon in der ersten Liedzeile recht eindeutig ausgewiesen. Doch auch für ihn endet die Sache ohne Schäferstündchen.
Geld spielt eine Rolle, ohne dieses ka Musi und „koa Mensch“ (keine junge Dame). Banknoten sind gefragt! „Sie thöan zwar nit klingln und machnt koan Saus, / und macht a kloas Bischerl an Endhaufn aus.“ Auf Deutsch: Sie rascheln nicht gar so sehr, aber sind auch als kleines Bündel am Ende recht viel wert.
Übrigens durfte man damals nicht mal als Lehrer, wie man wollte: Das erfährt man aus einem (leider ohne Noten) überlieferten Text. Da werden die Buben als „wahre Kröpf“ (begriffsstutzig) beschrieben. „Und greifst an solchen Talgn (Dummkopf) an und gar erst wennst’n schlagst, / da kummt da Alt und schimpft dö recht, und aft wirst no vaklagt.“
Die Zeiten ändern sich nicht, wie man auch dem „Sternsinga Gsang von Neukirchen“ entnimmt: „Brantwein krat a Glasl voll, / aft wurd ma halt zum singa toll.“ Geld und Essen war (und ist) auch gefragt, wogegen „Wienerrubn“ (Erdäpfel) als Gaben verpönt waren.