Auf Droge, statt auf Entzug
KOMMENTAR
Von Reinhard Kriechbaum
15/05/13 Kammermusik sei keine „Sonntagsdroge für ergraute Bildungsbürger“, sagt Matthias Schulz. Das Problem der letzten anderthalb Jahrzehnte war aber, dass sogar diese ominösen „Bildungsbürger“ auf den Stoff verzichtet haben und auf Entzug gegangen sind.
Nun geht es also darum, diese (und die Nicht-Bildungsbürger gleich noch dazu) wieder süchtig zu machen. Eine Herausforderung, die aber klappt. Gleich zehn Mal geleitet die Stiftung Mozarteum in der kommenden Saison zu Kammermusik in den Großen Saal. Die Erfahrungen seien gut, bestätigt Stiftungs-Chef Matthias Schulz im Gespräch mit DrehPunktKultur: kein Termin heuer mit nicht mindestens fünfhundert Zuhörern, das mache Hoffnung.
Das poppig designte Programmbuch der kommenden Saison ist, wie man auf Neudeutsch so schön sagt, ein Eyecatcher. Und was drin steht, lässt so manchen Earcatcher erwarten. Wenn der junge deutsche Pianist Martin Stadtfeldt zum Auftakt an zwei Abenden Bachs „Wohltemperiertes Klavier“ spielt, Krystian Zimerman die letzten drei Klaviersonaten von Beethoven, wenn Kammermusik-Abordnungen von Lockenhaus oder vom Jerusalem Chamber Music Festival vorbeischauen oder sich ein Sänger vom Format eines Matthias Goerne ziemlich abseitig Michelangelo-Gesängen von Hugo Wolf und Dmitri Schostakowitsch (!) annimmt – da wird die Neugier schon wachgekitzelt.
In den „Dialogen“ (deren Programm noch vor der Sommerpause eigens präsentiert wird) und in der total umgekrempelten Mozartwoche grast die Stiftung über ihr angestammtes Betätigungsfeld weit hinaus. Im Kammermusikprogramm stärkt sie zugleich nachhaltig ihre Kernkompetenz.
Authentisch zieht. Vielleicht ist dies die beste Droge, um im Publikum Musik-Rausch zu entfachen. Wir lassen uns gerne wieder ein klein wenig süchtig machen.