Holde Träume, kehret wieder. Piep. Piep.
KOMMENTAR
08/05/13 Manchmal bewundert man große Liedsänger nicht nur für ihre stupende Stimmtechnik. Manchmal bewundert man sie ganz einfach für ihre professionelle Selbstbeherrschung angesichts mancher Störenfriede im Publikum.
Von Heidemarie Klabacher
Matthias Goerne ist gestern Dienstag (7.5.) von der Bühne im Großen Saal des Mozarteums nicht abmarschiert, obwohl der Beginn seines Schubert-Abends mehr als zehn Minuten lang durch die Signale eines absterbenden Handy-Akkus kontrapunktiert war.
Wie heißt es im Schiller-Lied „Hoffnung“ D 637? „Die Welt wird alt und wird wieder jung, doch der Mensch hofft immer Verbesserung.“ Die Hoffnung stirbt zuletzt. Dass sich die Handy- bzw. Elektronik-Pest je wieder aus dem Konzertalltag ausrotten lassen wird, ist dennoch nicht wahrscheinlich. Kennzeichen des Kulturproleten sind das Telefon, die piepsende Uhr. Piepsende Hörgeräte kommen selten vor und sind noch am ehesten zu entschuldigen.
Weiter im Liederabend von Matthias Goerne und seinem Klavierpartner Alexander Schmalcz: Nach der ersten Strophe im ersten Lied nach der Pause – in der viele ihre Handys „getscheckt“ und manche das Ausschalten vergessen haben – piepst es nicht nur. Es klingelt. Die Künstler brechen ab. Warten geduldig bis es fertig geläutet hat. Fahren nach nicht ganz dreißig Sekunden Unterbrechung mit der nächsten Strophe fort. Verständigen sich souverän angesichts eines Zeilensprunges im Text, der nun wirklich nur dieser Störung zuzuschreiben war – und schaffen es, das Publikum wieder zurückzuführen unter Silberflimmer und Buchengrün: Es war das Lied „An den Mond“ D 193, das in der Begleitung ein wenig klingt, wie die „Mondscheinsonate“…
Der Pianist Andras Schiff hat gelegentlich schon ins Publikum geschimpft, Nikolaus Harnoncourt schleudert bei Bedarf seine Blicke wie der zürnende Zeus seine Blitze. Matthias Goerne hat sich nichts anmerken lassen, hat den wirklich stürmischen Jubel des Publikums gerne entgegengenommen. Warum nur wirkte die eine und einzige Zugabe, die er uns an diesem Abend gönnte, wie die Rute im Fenster: „Du holde Kunst...“