Ein Füllhorn an Entdeckungen
UNIVERSITÄT MOZARTEUM / BAROCKNACHT
27/06/16 In der ersten lauen Sommernacht am Freitag (24.6.) lockte das Institut für Alte Musik der Universität Mozarteum in und um den Solitär: Die heurige Barocknacht erfreute eine buntgemische Schar von Zuhörenden, die den Verführungen des Draußen-Sitzens widerstanden und belohnt wurden mit allerlei Köstlichkeiten.
Von Christiane Keckeis
„Musikalische Gesellschaften“ hatten Wolfgang Brunner und Ulrike Hofbauer zum Leitthema gemacht und darin ein abwechslungsreiches, anregendes Programm verpackt, quasi – wenn man in barocken Bildern verbleibt – ein Füllhorn voller Entdeckungen. Wo sonst hört man ein Konzert für zwei Gamben (Monsieur de Saint-Colombe: La raporte, aufregend musiziert von Christoph Urbanetz und Vittorio Ghielmi) oder die eher unbekannte Fassung der „Schönen Müllerin“ , eben nicht von Schubert, sondern von dem etwas früheren Ludwig Berger (sehr neckisch und musikalisch ausdrucksstark, an der Sprache orientiert und deshalb spannend vorgetragen von den Gesangstudierenden Alexander Revitski, Yasuyo Asano, Felix Mischitz und Elizaveta Belokon, farbig begleitet von Marta Kuchova am Hammerflügel)?
Wann begegnet man schon eine mitreißenden Variationenkette aus The Division Flute, die sich über dem Basso continuo entwickelt und auch genauso, sehr frisch inszeniert wird: Ganz einsam beginnt Arturo Perez Fur am Cembalo, bevor sich der Rest der Companie hinzugesellt, Blockflöte (großartig: Manuela Mitterer), Barockvioline, Dessus de Viole und Gambe spielen mit den Farben der Emotion zwischen tiefer Melancholie und überschäumender Fröhlichkeit, die am Schluss obsiegt: Da kommt die gesamte Blockflötenklasse mitsamt Dorothee Oberlinger dazu und bereitet dem vormals einsamen Pianisten ein rauschendes Musikfest.
Viele schöne, unaufgesetzte Ideen sind in die Konzertteile gestreut, so eine lustvoll ironische Lesung aus E.T.A Hoffmanns „Kreisleriana“ (sehr lebendig: Albert Weilguny), kleine informative humorvolle Erläuterungen durch Wolfgang Brunner oder – am Höhepunkt – Purcells Suite aus „Fairy Queen“ im Innenhof des Mozarteums, zu der dann nicht nur die jüngsten Besucher, sondern auch ältere Semester beschwingt zu tanzen beginnen.
Die Stimmung ist fröhlich, offen und hat nichts von der Steifheit manch anderer klassischer Konzerte – wiewohl die Qualität durchaus auch Festspielen anstünde. Die Dramatik einer Triosonate (op. 5 Nr. 4) von Telemann, in bewusst feiner Artikulation und quasi blindem Zusammenspiel etwa (Bozena Angelova, Hed Yaron-Meirson, Barockvioline, Marco Testori, Barockcello, Wolfgang Brunner, Cembalo) suchte Ihresgleichen an Lebendigkeit. Nicht minder einprägsam Telemanns Quatuor e-moll, leidenschaftlich, berührend, durchdacht (Marcello Gatti, Traversflöte, Midori Seiler, Barockvioline, Vittorio Ghielmi, Viola da gamba, Marco Testori, Barockcello und Wolfgang Brunner,Cembalo). Wer sagt, dass Telemann etwas Beliebiges hat?
Mit weniger Lehrenden erklang Mozarts Klavierkonzert A-Dur in Kammerbesetzung, Carlos Goicochea brilliert mit Leichtigkeit und Spielfreude am Hammerklavier. Und wiederum eine Entdeckung: Diese kleinen Bearbeitungen für Streichensemble, die das Musizieren in Gesellschaften möglich machten, sind in ihrer Durchsichtigkeit und Ausdruckskraft sehr erfreulich.
Es ließe sich wohl noch so manches berichten von einer Nacht voller Musik: einer Nacht voller schöner Details, deren Zusammenhang in einem universalen Bekenntnis zur Musik zu finden ist. Na, wenn das nicht barock ist!